Damian
mental kontrolliert. Und wenn er sich dann sattgetrunken hat, geht er oder schickt sie fort, meist mit einer sehr erotischen Fantasie von ihm.
„Nein. Ich will keine andere Frau“, bringt er mühsam hervor.
„Miss Fletcher und Sie…“, beginnt Henry leise.
„Was?“, faucht Damian und blickt seinen Hausdiener angriffslustig an.
„Was ist mit Rachel und mir?“ Henry tritt einen Schritt zurück, vor Respekt oder vielleicht auch vor Angst.
„Sie beide verbindet etwas, nicht wahr?“, wagt sich Henry vor. Damian senkt wieder den Kopf und zischt:
„Das geht sie nichts an!“
„Ja! Ja, natürlich! Entschuldigen Sie“, entgegnet Henry sofort und bückt sich um die Plastikbehälter aufzuheben.
„Woher wissen Sie es?“, will Damian schließlich doch wissen. Henry ist ein guter Mann, er hat ihm viel zu verdanken. Er war immer loyal, hat ihn nie im Stich gelassen. Henry hat es nicht verdient, so von ihm angefahren zu werden. Henry sieht auf und blickt Damian ernst an.
„Man spürt es. Ich spüre es. Zwischen Ihnen beiden, da brennt dieses unsichtbare Feuer…“, verlegen senkt er den Kopf. „Verzeihen Sie, ich dürfte nicht so reden.“
„Nein, nein, sagen sie, was sie glauben bemerkt zu haben.“ Jetzt ist Damian neugierig geworden.
„Wenn sie Blicke miteinander tauschen, dann scheinen Funken zwischen Ihnen zu sprühen. Es ist die Art, wie sie miteinander reden, sich gegenseitig beobachten“, traut sich Henry vor.
„Ist das so offensichtlich?“, wundert sich Damian.
„Nun, ich denke, jemand wie ich nimmt es schon wahr. Aber Sterbliche würden es vielleicht so interpretieren: sie flirten miteinander.“ Ein winziges Grinsen zeigt sich um Damians Mundwinkel.
„Doch so offensichtlich! Hmmm!“, murmelt er und das Grinsen ist immer noch nicht verschwunden.
„Ich werde mich jetzt zurückziehen. Wenn Sie noch etwas brauchen…“
„Nein, danke. Gehen sie zu Bett, Henry.“ Und als der Hausdiener bereits an der Tür ist, ruft ihm Damian hinterher: „Danke, für alles!“ Henry dreht sich noch einmal um und nickt ihm zu, dann schließt er die Tür hinter sich.
Damian liegt nackt auf seinem Bett und starrt gegen den Baldachin über ihn. Es ist eine dieser besonders warmen Nächte, die einen nicht zur Ruhe kommen lassen. Sein Körper glänzt schweißnass. Die Krämpfe in seinem Inneren sind endlich verstummt. So also stirbt ein Vampir. Es ist ein Jahre andauernder, quälender Verfall seines Körpers. Die Schmerzen werden immer schlimmer und die Abstände dieser Anfälle immer kürzer. Was wird am Ende von ihm übrig bleiben? Wird er eines Tages tot in seinem Bett liegen? Wird er irgendwann einmal tief ausatmen, die Augen schließen und nicht wieder aufwachen? Oder wird es ein tagelanger, vielleicht sogar wochenlanger Kampf voller Schmerzen und Qualen werden? Und dann? Wird sein Körper zu Staub verfallen? Oder wird sein Körper aussehen wie der einer Mumie? Eingetrocknet und skelettiert? Er schließt die Augen und lauscht. Die Stille um ihn herum hat manchmal etwas Beängstigendes. Wie eine schwere Last legt sie sich auf sein Gemüt. Wenn er ehrlich ist, dann hat er Angst vor dem, was ihn nach seinem Tod erwartet. Was passiert mit seiner Seele? Wird er die Prüfungen der Ma‘at bestehen? Oder wird die Waage in die Richtung pendeln, die den Weg ins Verderben weist? Wird Anubis ihn auf seinem Weg in die Unterwelt begleiten oder wird seine Seele auf ewig in einer Halbwelt festgehalten? Damian lebt im zwanzigsten Jahrhundert, im Zeitalter des Internet und der Globalisierung. Wenn er jemandem erzählen würde, dass er immer noch an die Götter des antiken Ägyptens glaubt, würde man ihn für total übergeschnappt halten. Aber der Glaube an diese, seine Welt, an ein Leben nach dem Tod hat ihm die Kraft gegeben über die Jahrtausende weiter zu existieren. Dieser Glaube ist seine Identität und fest mit ihm verbunden. Damian öffnet die Augen und richtet seinen Blick zum geöffneten Fenster. Er liebt den Sternenhimmel. Dort oben schauen die großen Pharaonen der Alten Welt hinab auf ihr Reich. Wird sein Vater auch auf ihn herabsehen? Hat er jemals erfahren, dass er einen Sohn mit Sitamun hat? Wäre Damian jemals Pharao geworden und würde er jetzt dort oben sein, wenn das Schicksal ihn verschont hätte? Fragen über Fragen auf die er seit Jahrtausenden keine Antwort erhalten hat und wohl auch nicht mehr erhalten wird. Damian holt tief Luft und stößt sie langsam wieder aus. Diese Anflüge
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