Damian
das Verschwinden des Professors Auskunft gibt? So viele Dinge, auf die Rachel keine Antwort findet. Sie wird sich in Geduld fassen müssen. Aber Geduld war noch nie ihre Stärke! Vielleicht ist es ganz gut, wenn sie ein wenig abgelenkt wird. Da kommt ihr dieses Beduinenfest ganz recht.
Das große Zelt sieht man schon von Weitem. Es steht mitten in der Wüste, umgeben von kleineren Zelten und überall brennen große und kleine Lagerfeuer. Damian fährt langsam an die Szenerie heran. Menschen in langen Gewändern laufen umher. Sie glaubt überwiegend Männer zu erkennen. Das große Zelt ist prachtvoll geschmückt. Bunte Fahnen und Tücher schmücken den Eingang und vor dem Zelt liegen wunderschöne, orientalische Teppiche im roten Wüstensand. In einer Art Arena beobachtet sie, wie Kamele mit prachtvollem Kopfschmuck hergerichtet und gesattelt werden. Etwas abseits des großen Zeltes kümmern sich Männer um einige wenige Pferde, die tänzelnd und schnaubend kaum zu bändigen sind. Der Vollmond erhellt die Landschaft wie ein überdimensionaler Scheinwerfer. Links vom Haupteingang des großen Zeltes stehen mehrere Geländewagen und Pferdeanhänger der teuersten Kategorie. Jetzt, wo sie näher herangefahren sind, sieht Rachel das Vorzelt, das nur aus einem großen Baldachin zu bestehen scheint und Organza in allen erdenklichen Farben fallen leicht bis hinunter in den Wüstensand. Dahinter erkennt sie fantastische, orientalische Leuchter und Unmengen vom bunt bestickten Kissen in allen erdenklichen Größen. Rachel hat so etwas noch nie zuvor gesehen.
„Das ist wunderschön“, staunt sie. „Wie aus Tausend und einer Nacht.“ Ein minimales Lächeln blitzt um Damians Mundwinkel, als er den schweren Geländewagen abstellt und aussteigt. Er reicht Rachel die Hand, um ihr aus dem Fahrzeug zu helfen. Sie sieht wieder einmal zauberhaft aus. Ihr Kleid passt wunderbar zu ihren Augen, er ist sich sicher, dass beide annähernd die gleiche Farbe haben müssen. Ihre langen Haare trägt sie offen, was ihm besonders gut gefällt. Damian genießt es sie neben sich wissen. Sie gibt ihm auf eine unerklärliche Weise Kraft und Zuversicht. Seit langem hat er sich nicht mehr stark und überlegen gefühlt. Hat er das alles wirklich nur Rachel zu verdanken? Ist sie der Schlüssel zu einem neuen Kapitel in seinem ewigen Leben? Hält sie vielleicht sogar den Prozess seines Sterbens auf? Er nimmt ihr Hand, eine Geste, die inzwischen fast selbstverständlich geworden ist und dennoch fühlt sich diese Berührung immer noch nicht vertraut an, sie ist immer noch so unglaublich wertvoll.
„Viele dieser Leute sprechen kein Englisch. Es herrschen strenge Regeln im Umgang miteinander. Achte einfach nur auf mich und bitte“, er macht eine kleine Pause und beugt sich zu ihr herab, um ihr zuzuflüstern, „rede nicht, bevor Du dazu aufgefordert wirst.“ Sein Gesicht ist so nah an ihrem, dass er ihren Atem spürt, den Duft ihres Haares wahrnimmt und das schnelle Pochen ihres Herzens. Für den Bruchteil einer Sekunde ist er versucht ihr einen Kuss zu stehlen. Dann aber besinnt er sich eines Besseren. Langsam gehen sie auf das große Zelt zu.
„Warum findet das Fest statt und wer genau ist dieser Bekannte von Dir?“, will Rachel wissen, während sie staunend beobachtet wie eine in einem schwarzen Umhang verhüllte Frau Teig knetet und die flachen Laibe in einem Steinofen bäckt. Damian hat die Lippen zusammengepresst. Es wird nicht leicht sein, das hier über die Bühne zu bringen, ohne bei Rachel Misstrauen zu schüren.
„Du wirst ihn gleich kennenlernen, er…“ Damian kann seinen Satz nicht vollenden, denn ein Mann, vielleicht Mitte bis Ende Zwanzig kommt auf ihn zugelaufen. Er trägt ein langes, schwarzes Gewand, das an den Ärmel und am Halsausschnitt mit feinen Stickereien verziert ist und wenn Rachel sich nicht täuscht ist es aus purer Seide.
„Damian!“, ruft er freudig und in einwandfreiem Englisch aus und kommt ihnen mit ausgestreckten Armen entgegen. Damian und Rachel sind vor dem Zelt stehengeblieben. Der junge Mann, der sie so herzlich willkommen heißt, ist ungefähr genauso groß wie Damian, hat ebenfalls schwarze Haare, soweit sie dies unter seiner Kopfbedeckung erkennen kann, dunkle Augen und ein ausgesprochen anmutiges Gesicht. Es wirkt jugendlich und seine schmalen Lippen, die hohen Wangenknochen und sein sehr aufrechter, fast erhabener Gang verleihen ihm etwas Majestätisches.
„Aman“, entgegnet Damian seinem
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