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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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Müttern angestimmt, wenn sie keine verführerischen anderen Töne an ihr Ohr dringen lassen
wollten. Diese anderen Töne hätten ihnen die Identifikation mit ihrer auf Jahre oder für immer geplanten Hausfrauenrolle nur erschwert. Also haben diese Frauen sich lieber taub gestellt. Dass es mit der Taubheit auf beiden Ohren dann doch nicht richtig klappen wollte, stellten diese Frauen spätestens fest, wenn ihre jugendlichen Töchter ihnen Worte hinkippten wie: »Mutter werd ich nie … ist doch ein bescheuerter Job!«
    Untersuchungen halten fest, wie tüchtig und ehrgeizig die modernen Mädchen ihre Schullaufbahn angehen und im Vergleich zu ihren männlichen Mitschülern auf der Überholspur sind. Erstaunt uns dieser weibliche Ehrgeiz? Wohl kaum, er wird zum glasklaren Spiegel dessen, was moderne Mädchen nicht mehr wollen: die Reduktion auf emotionale Intelligenz. Diese emotionale Intelligenz ist fraglos etwas unglaublich Kostbares und wird, je komplexer und vernetzter die sozialen und beruflichen Zusammenhänge werden, immer mehr an Bedeutung gewinnen. Teamfähigkeit ist aus der heutigen Arbeitswelt kaum mehr wegzudenken. Doch was viele jungen Mädchen so anspornt, Leistung zu erbringen, ist das nicht überzeugende Erwachsenenleben ihrer Mutter. Sie haben Tag für Tag vor Augen, wie eine erwachsene Frau, ihre Mutter, Wege aus der nicht altersgemäßen Isolation ihres vorhandenen Potenzials sucht. Manchmal tut sie es passiv. Sie träumt. Wenn sie aktiv wird und handelt, besucht sie Kurse im Malatelier, geht ins Fitnessstudio, probiert es mit Qigong, arbeitet in Ehrenämtern mit. Doch in den Augen ihrer jugendlichen Kinder sind das »Beschäftigungsprogramme«, zwar gut für den Familienfrieden, aber nichts Zwingendes.
    »Meine Mutter ist viel entspannter, seit sie zweimal wöchentlich autogenes Training macht, sie ist nicht mehr so schnell genervt, doch so ganz das Wahre ist es halt nicht«, so ein 18-Jähriger, der in den Therapiestunden auch über seine Mutter nachdenkt. Jugendliche denken über die Eltern öfter
nach, als ihre Eltern es wahrscheinlich vermuten. »Was wäre deiner Meinung nach denn das Wahre?« - »Ja, halt ein Job, wie Papa ihn hat. Wenn ich mal erwachsen bin, würde ich von meiner Mutter, äh, Frau nicht verlangen, dass sie nur zu Hause ist. He, meine Mutter war gut in der Schule! War in Englisch super, jetzt redet nur noch mein Vater Englisch, beruflich halt.«
    Bis 40, so mein Eindruck, funktioniert dieses weibliche Ehrenämter-Leben und oft überdurchschnittliche Engagement in Schule, Nachbarschaft und sozialem Umfeld dieser Mütter recht gut und unauffällig. Danach tauchen erste psychosomatische Erscheinungen auf: ein schlechter und unruhiger Schlaf, Probleme mit der Verdauung, Magen-Darm-Krankheiten, körperliche Verspannungen, Depressionen, Energielosigkeit, Abgespanntheit, Migräne. Noch bevor die Gefühle laut und deutlich das Sprechen anfangen - das dauert manchmal viel länger -, beginnt der Körper zu reden. Die eingeschränkte Gefühlswelt manifestiert sich als Erstes dort, wo ihr professionelle Hilfe, Augen und Ohren gewiss sind: beim Hausarzt, dann beim Internisten, Orthopäden, Gynäkologen oder Neurologen. Der Körper wird so zum Träger von Botschaften, die manchmal mit Ernährungsumstellung, mehr Körperarbeit oder einem neuen Medikament nur unzureichend gelesen werden können. Das können alles wertvolle Hilfen sein beim Umbau, ohne Zweifel. Doch oft wird mehr Umbau gefordert, als der Arztbesuch es hoffen ließ.
    Bei Frauen dieser Altersgruppe beschleunigen die Herausforderungen, wie sie sich durch die Erziehung ihrer Heranwachsenden ergeben, oft das, was ich die Bilanzierung nenne. Die Frauen beginnen, zuerst noch ganz still und heimlich, Bilanz zu ziehen, oft aufgestört durch das Aufbrechen ihrer Kinder. Dieses Aufbrechen nehmen sie, im Gegensatz zu ihren Männern, schon sehr früh wahr. Schon die erste Aufbruchsstimmung bei den Kindern, sei es, dass diese
das erste Mal über Nacht wegbleiben oder Tagebuch führen und der Mutter einschärfen, es ja nicht zu lesen (»Geht dich nämlich gar nichts an!«), lässt bei den Frauen Alarmlämpchen aufleuchten. Sie reagieren dann mit einer seismografischen Empfindsamkeit auf diese ersten Absetzdemonstrationen ihrer Kinder. Für viele Frauen, deren Lebensmittelpunkt bis dahin Kind und Familie waren, beginnt eine Morgendämmerung. Sie spüren instinktiv, dass diese gut organisierte und ihnen vertraute Lebensphase sich dem Ende

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