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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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ein Liebespaar sind oder nicht, bestehen würde. Ich bin mir da nicht mehr sicher. Denn gleichzeitig erlebe ich die Eltern in diesem Lebensabschnitt ihrer Kinder gehemmt im Umgang mit sexuellen Fantasien und Bedürfnissen. Ihr Energieniveau ist mitunter ziemlich niedrig, die Abwehrkräfte sind es ebenso. Das erfolgreiche Verwalten und Organisieren des Alltags scheint viel Kraft zu kosten. Wenn es nur um eine Durststrecke von einem oder zwei Jahren ginge, könnte man sagen: Es geht vorüber. Doch diese Durststrecke dauert oft die ganze Schulzeit der Kinder über an. Und das ist zu lang. Man kann Leben, insbesondere lustvolles Leben, nicht vertagen.
    Wenn Eltern ihren Tagesablauf schildern, ist alles dabei, was zu den Pflichten und Aufgaben einer Familie gehört: Frühstück machen, die Kinder rechtzeitig in die Schule schicken oder bringen, Mittagessen vorbereiten, die Hausaufgaben überwachen, die Freizeit der Kinder organisieren, ihnen zeitliche Grenzen setzen, wenn es um ihren Computer- oder Fernsehkonsum geht, das gemeinsame Abendessen einnehmen, an welchem jetzt auch der Vater teilnimmt, die Kinder zu Bett bringen - was je nach Temperament und Durchsetzungskraft der Kinder mitunter Open-End-Charakter annimmt …
    Wo kommt in diesem Tagesablauf das Paar vor? Man kann, auch mit einer scharfen Lupe ausgerüstet, darin keine Paarspuren erkennen. Und dieser Umstand wird nicht nur in Ausnahmefällen zur Falltür für das Familienklima. Viele Paare rutschen durch diese Falltür und tauchen nie mehr so richtig auf. Wenn das passiert, ist etwas Eigenartiges zu beobachten: Die Anstrengungen, »gute Eltern« zu sein, werden noch intensiviert. Vor allem die Mütter, viel empfindsamer für Störungen im Familiengetriebe als die Väter, hängen sich
dann so richtig rein ins Regulieren des Alltagsgeschäfts. Eine junge Mutter hat dieses Verhalten gut erklären können: »Wenn ich nicht mehr wie gewohnt funktioniere und ins Nachdenken verfalle, ob das alles so läuft, wie ich es mir mal erträumt habe, kommt die Angst.« Sie hat ein paar Wochen später einen Traum mit in die Stunde gebracht, der diese Angst gut veranschaulicht:
    »Ich steuere ein Motorboot. Es hat ziemlich viele PS. Bin begeistert und beeindruckt, dass ich so ein Boot fahren kann. Vom Strand aus schauen mir viele Leute zu, die Kinder, mein Mann. Seine Mutter und sein Vater sind komischerweise auch dabei, obwohl wir mit denen nie in Urlaub fahren würden. Alle lachen, winken mir zu. Mein Mann macht das Victory-Zeichen. Ich geb Gas, fahre auf das offene Meer hinaus, lache vergnügt, dreh mich um, man sieht die anderen kaum noch, sehe noch, wie mein Mann mit Winken aufhört. Plötzlich kann ich nicht mehr schalten, ich will umkehren, der Steuerknüppel reagiert nicht, ich rase immer weiter aufs Meer hinaus, ich kann das Boot nicht anhalten, kann nicht mehr wenden … hab nur noch Panik.« Sie sagt, dass sie nicht nur schweißgebadet, sondern auch voller Schuldgefühle aufgewacht sei.
    Diese Frau träumt, dass sie ihrer Familie den Rücken zuwendet. Zuerst empfindet sie eine stolze und sie berauschende Aufbruchsstimmung. Auch die anderen freuen sich über ihre Vitalität. Doch plötzlich, sie nimmt immer mehr Fahrt auf, verliert sie innerlich den Kontakt zu den anderen am Strand. Es kommt ganz schnell zu einer Reaktionsbildung: Nicht sie will abhauen, sondern der verdammte Steuerknüppel funktioniert nicht mehr. Er trägt sie aus ihrem gewohnten Leben hinaus aufs freie, wilde Meer, nicht ihr eigenes Verlangen. Sie selber möchte nur wieder zurück in feste, gewohnte Verhältnisse.
    Viele Eltern leiden unter ihren Fluchtfantasien, die sie lange verschweigen. Meistens kommt erst auf Nachfragen das
Geständnis, dass solche Fantasien existieren. Und regelmäßig begleitet sie ein Schuldgefühl und der Versuch, ihr Vorhandensein zu bagatellisieren. »In einer schwachen Minute denkt man halt mal so einen Unsinn … ist ja nicht ernst gemeint … weiß auch nicht, warum ich manchmal solche Ideen hab … bin ja total zufrieden mit meinem Leben … nie würde ich meine Familie verlassen wollen.«
    Auch Familienväter träumen:
    »Ich bin im Flugzeug unterwegs. Neben mir sitzt eine einäugige, alte Frau. Ich beuge mich etwas nach vorn, um mich zu vergewissern, ob sie wirklich nur ein Auge hat. Tatsächlich. Ich kann diesen hässlichen Anblick nicht ertragen und beschließe zu schlafen. Als ich aufwache, sitzt neben mir eine junge Frau. Sie hat ein weißes Kleid an, das sie

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