Dancing Jax - 01 - Auftakt
Gutes, wie ich zugeben muss. Kommen Sie doch herein.«
Martin folgte Evelyn in das große luftige Haus, wo sie ihn in die blitzblanke Designerküche führte. Naserümpfend betrachtete sie die Oberflächen aus gebürstetem Edelstahl – ganz eindeutig entsprach die Ausstattung nicht ihrem Geschmack.
»Was meinem Freund Paul geschehen ist, tut mir so unendlich leid«, sagte sie mitfühlend. »Gibt es schon Neuigkeiten?«
Martin schüttelte den Kopf. Das hier war wirklich abgedreht. Der Gang, die Gesten, wie sie die Worte betonte, wie sie ihren Hals neigte – ein bisschen wie ein Vogel –, Evelyn hätte wirklich und wahrhaftig eine alte Dame sein können.
»Nicht von der Polizei«, antwortete er. »Allerdings glaubt Carol, dass auch die alle von dem Buch befallen wurden.«
Evelyn verschränkte die Hände vor der Brust. »Diese Angelegenheit ist todernst«, sagte sie gewichtig. »Vermutlich ist Ihnen noch nicht bewusst, wie groß die Gefahr tatsächlich ist. Es sieht Gerald ähnlich, die Tragweite nicht sofort begriffen zu haben, als Sie ihm das erste Mal davon erzählt haben. Der Mann kann von Zeit zu Zeit ein Trottel sein, wie er im Buche steht! Warum Carol und Sie sich mit ihm abgeben, ist mir unbegreiflich.« Martin wusste nicht genau, wie er darauf reagieren sollte.
»Gerald meinte, er müsste mir etwas zeigen«, sagte er und hoffte inständig, dass es sich dabei nicht nur um sein Alter Ego handelte. Er hatte Evelyn schon immer treffen wollen, aber jetzt war einfach nicht der passende Augenblick. Heute hatte er für so etwas keine Zeit.
»Ich habe ihm schon Vorwürfe gemacht, weil er vergangene Nacht nicht direkt zu euch gekommen ist«, verkündete Evelyn. »Aber was geschehen ist, ist geschehen. Hoffen wir nun, dass es noch nicht zu spät ist.«
»Wofür zu spät?«
»Sie müssen erkennen und verstehen, womit Sie es zu tun haben«, erklärte sie. »Dieser Mann, Austerly Fellows. Alles, was mit ihm in Verbindung steht, … ist eine unermessliche Gefahr.« Sie unterbrach sich und deutete auf den Designer-Wasserkocher. »Möchten Sie eine Tasse Tee? Das Ding mag hässlich sein, aber immerhin kocht es Wasser. Bitte fragen Sie mich nicht nach einem Kaffee – Geralds Maschine sieht aus wie ein Requisit aus Flash Gordon. «
»Nein danke.«
»Was machen wir dann noch in dieser abscheulichen Küche? Folgen Sie mir, Martin. Und schnell – es gibt eine Menge zu sehen.«
Sie verließ die Küche und betrat den privaten Teil der Pension. Während Martin ihr hinterherlief, bemerkte er die vielen winzigen Veränderungen, die sich einstellten, wann immer Evelyn im Haus war. Die Fotos, die auf dem Klavier standen, waren andere – auch ein Bild von ihr und Bunty war dabei, wie sie nach einer Royal Variety Show die Queen trafen. In Porzellanvasen, die Gerald nie geduldet hätte, standen frische Blumen und eine Tiffany-Lampe verlieh der Wand einen warmen Schimmer.
Ein weiteres fremdes Objekt im Raum war ein großer schwarzer Reisekoffer. Evelyn kniete sich davor und wandte sich dann an Martin.
»Gerald hat auch seine Vorzüge. Bevor er heute Morgen gegangen ist, hat er mir auf meine Bitte hin noch diesen alten Kofferschrank vom Dachboden geholt. Bevor Sie den Inhalt sehen, lassen Sie mich noch erklären …« Sie winkte Martin und wies ihm einen Stuhl zu – einen von Geralds Lederlehnsesseln, der mit einem Fransenüberwurf etwas aufgehübscht worden war.
»Hat Gerald Ihnen je erzählt, woher seine Familie stammt?«, fragte Evelyn.
»Hier aus der Gegend, oder?«
»Ganz recht, und hat er Ihnen auch erzählt, welchem Beruf seine Großeltern nachgegangen sind – vor allem seine Großmutter?«
»Nicht dass ich mich erinnern könnte. Ich verstehe nicht, warum das wichtig –«
Evelyn brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Das werden Sie noch«, bremste sie ihn. »Gedulden Sie sich bitte noch ein wenig.« Sie stützte ihren Ellbogen auf den Kofferdeckel und fuhr fort.
»Vor ihrer Hochzeit arbeitete Geralds Großmutter als Kindermädchen in einem vornehmen Hause, das einem äußerst wohlhabenden Landarzt gehörte – Bartholomew Fellows.«
Sie ließ den Namen wirken, bevor sie fortfuhr. »Stellen Sie sich vor, wie diese Stadt vor einhundert Jahren ausgesehen hat. Ein florierender kleiner Erholungsort mit hervorragender Anbindung an London, nicht nur durch die Bahn, sondern auch durch Dampfschiffe. Doktor Bartholomew betrieb eine äußerst erfolgreiche Praxis in der Hauptstadt, bevor er sich hier
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