Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
heute hat sie mir aufgetragen sicherzustellen, dass all ihre preisgekrönten geliebten Schönheiten auch den richtigen Duft haben. Ihre natürlichen Düfte sind der hohen Majestät nicht schnüffelnswert genug! Hier, schnuppert einmal.«
Er legte die Kelle nieder, band eines seiner Töpfchen vom Gürtel, zog den Korken heraus und hielt es hoch. Maiglöckchenduft strömte Charm in die Nase.
»Ein ganz schöner Mief, was?«, meinte er und stöpselte es wieder zu. »Ein kleiner Tupfer davon in jede Blüte, das hat man mir aufgetragen. Hab jede Duftrichtung, die es überhaupt gibt, und immer dabei – ein Traum für jeden Zinken.«
»Du erinnerst dich also nicht an mich?«
»Ziemlich unwahrscheinlich, dass jemand wie ich jemanden wie Euch kennt«, entgegnete er und setzte sich seinen Hut wieder auf. »Gartengnome geben sich mit Euch großem Volk wenig ab, wir geben uns ja kaum mit anderen Gartengnomen ab. Ich schlafe oben im Taubenschlag und verbringe die Nächte mit den Vögeln. Old Juniper, der sich um den Herrschaftlichen Garten kümmert, pennt unter einem zerbrochenen Blumentopf und Greenage, drüben vom Kräutergarten, rollt sich oben auf dem Holzstapel zusammen.«
»Was ist mit Maggie?«, fragte Charm. »An sie erinnerst du dich doch bestimmt, oder? Und an den Tunnel, den du gegraben hast, oder die grässlichen Würmer …?«
»Tunnel? Graben?«, rief er. »Derart schwere Plackerei mache ich nicht! Dafür sind Leibeigene und Maulwürfe da. Wir Gartengnome beseitigen lediglich die Sauerei, die sie hinterlassen. Ein bisschen Unkrautjäten und den Boden auflockern ist das Höchste, was meine kleine Schaufel zu tun bekommt, und mit Würmern habe ich keinen Streit, solange sie meinem Rasen fernbleiben und ihn nicht mit ihren Kringelhäufchen verunstalten. Zum Verschönern sind wir Gartengnome da: Blätter polieren, jeden Morgen Tau auf die Spinnennetze träufeln, ordentlich die Farne aufrollen, Hecken trimmen, Knospen öffnen und die Schmetterlinge trainieren, damit sie in schönen Formationen flattern, wenn die königlichen Herrschaften auftauchen. Nie ist man mit der Arbeit fertig.«
Charm ließ den Kopf hängen, es hatte keinen Sinn.
»Wir müssen los!«, rief Lee ihr zu.
Der Gnom mit dem Gesicht von Marcus spähte mit strengem Blick auf das Rosenspalier. »Männer sind hier nicht erlaubt!«, brüllte er und hüpfte aufgebracht auf und ab. »Verschwindet! Husch, husch – alle beide!«
Charm stand auf und ging.
Crocus blickte auf das platt gedrückte Gras, das sie zurückließ, und warf seinen Hut abermals auf den Boden. »Jetzt muss ich meinen großen Kamm holen und das versorgen!«, grummelte er. »Die Herzkönigin will alles tadellos haben! Schaut Euch nur Eure riesigen Fußabdrücke im Rasen an, wie von Monsterhufen! Geht, geht! Als hätte ich heute nicht schon genug zu tun! Lasst mich in Frieden, damit ich mich in Ruhe um den Garten des Liebreizes kümmern kann.«
Charm kehrte zu Lee zurück. Gemeinsam rannten sie durch einen Torbogen und verließen den Garten.
»Das war er«, behauptete sie beharrlich. »Das war Marcus.«
»Marcus ist tot«, erinnerte Lee sie.
»Ich versteh das nicht. Ist es das, was passiert, wenn man stirbt? Man wird dann zu irgendeinem Freak hier … nicht mal ein normaler Mensch … und weiß nicht mehr, wer man früher war?«
»Freak trifft den Nagel auf den Kopf«, stimmte Lee zu. »Das war nur ein gemeiner Witz, eine Parodie von dem, was Marcus mal war.«
»War das ein Geist oder echt oder was? War das seine Seele?«
»Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, was das hier eigentlich für ein Ort ist – oder wo. Das Einzige, bei dem ich mir hundertpro sicher bin, ist, dass es nicht besonders gesund ist, sich hier rumzutreiben.«
»Was wird Maggie dazu sagen?«
»Meinst du, es wird ihr irgendwie besser gehen, wenn sie erfährt, dass Marcus hier ist – noch dazu so?«
»Nein …«
»Dann verdräng am besten, was du gerade erlebt hast. Marcus ist tot. Und ihr zuliebe sollte das auch so bleiben.«
»Ich hoffe, ich werd nicht auch so wie er, wenn ich mal hierherkomm.« Ein Schauder überlief Charm. »Was wäre ich dann? Ein Drache oder eine Statue oder so was?«
»Das lasse ich nicht zu«, versprach Lee.
Charm geriet ins Grübeln und fragte sich, ob es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, ihre Mutter zu suchen. Könnte sie es wirklich ertragen, falls ihre Ma sie nicht erkannte? War sie stark genug, das zu verkraften? Sie musste all ihren Mut zusammennehmen, um
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