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Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel

Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel

Titel: Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Jarvis
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ganze Wahnsinn angefangen hatte, hatte Marcus noch vermutet, dass alles ein gigantischer Schwindel war, an den keiner wirklich glaubte. Allerdings, warum jemand nur so tun sollte, war ihm ein sogar noch größeres Rätsel. Was hatten die Leute davon?
    In seinen dunkelsten Augenblicken – und davon hatte es in den letzten Monaten viele gegeben –, wenn er sich furchtbar einsam und verzweifelt fühlte, stellte er seinen eigenen Verstand infrage. Zum Glück war sein Ego absolut unkaputtbar und rettete ihn jedes Mal aufs Neue. Ein Teil von ihm wünschte sich beinahe, dass man es schaffen und ihn an diesem Wochenende bekehren würde. Einfach nur, um zu sehen, was der ganze Aufstand sollte. Aber Marcus konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es dazu kommen würde. Wie auch? Es war nur ein dämliches Buch.
    Andernorts in der Menge wandte sich Christina an Jody und flüsterte ihr voller Angst ins Ohr, dass ihr Herr Rübennase nicht geheuer und sie froh gewesen war, dass man ihn »abgeköpft« hatte.
    Jody legte ihr den Arm um die Schultern. »So was wie Punchinellos gibt’s nicht wirklich«, versicherte sie der Siebenjährigen. »Das sind nur Ungeheuer aus einer Geschichte, nur erfunden.«
    »Aber die Buben und die Damen sind auch in dem Buch«, wandte Christina ein. »Und sie sind doch echt.«
    »Nein, das sind nur ein paar Kinder, die sich verkleidet haben. Es gibt keine Hexen oder gute Feen, auch kein Mauger-Monster am Tor, keine Werwölfe und kein Schloss.«
    »Meine Mami und mein Papa sagen aber, dass es sie gibt«, nuschelte die Kleine unglücklich.
    Jody warf einen Blick auf Christinas Eltern, die ein Stück entfernt standen. Mr und Mrs Carter hatten ihre kleine Tochter völlig aus ihrem Gedächtnis gestrichen und konzentrierten sich ganz auf das Geschehen auf der Bühne. Angewidert wandte Jody sich ab. Wohin ihre eigenen Eltern verschwunden waren, wollte sie gar nicht erst wissen.
    »Menschen sind die einzigen echten Monster«, sagte sie.
    Als Nächstes stand eine Lesung auf dem Programm. Ein bekannter Schauspieler, den man aus zahllosen Filmen kannte und der schon vielen animierten Charakteren seine Stimme geliehen hatte, trat auf die Bühne und sonnte sich in dem begeisterten Beifall. Die Dienstmägde stellten sicher, dass jeder der jungen Gäste ein Exemplar von Dancing Jax hatte, dann begann der Vortrag. Die Stimme des Schauspielers hallte über die Bühne, voll von dem trockenen, feierlichen Ernst und der übertriebenen, abgehackten Betonung, wie sie nur die besten aller Shakespearedarsteller beherrschten.
    »Dora, die arme kleine Dora, die Tochter des Schmieds, war eine dumme Gans mit einer Statur wie aus Ziegeln und Mörtel gemacht. Mit nur zehn war sie so groß wie ihr Vater, mit sechzehn hätte selbst er es nicht mehr mit ihr aufnehmen können. Im Ringkampf bestand sie gegen den bulligsten Knecht und einem Pferd konnte sie mit der Faust die Backenzähne aus dem Maul boxen. Die Dorfbewohner von Mooncot waren zu Recht stolz auf ihre Tüchtigkeit, aber keiner von ihnen wollte ihr den Hof machen. Dora, die einfache Dora, haderte mit sich und verzweifelte darüber, wie die Natur sie geschaffen hatte. Also brach sie eines schönen Morgens in die weite Welt auf – mit Schinken, Käse und einem Krug frischem Brunnenwasser im Gepäck. Jede Jungfer wusste um die Magierin Malinda und Dora machte sich auf, sie zu finden. Ein schönes Gesicht und eine engelsgleiche Stimme, mehr wollte sie nicht. Doch Dora, die dumme Dora, vergaß die Ratschläge ihres Vaters und verirrte sich. ›Geh nicht den Waldweg hinunter, wo giftige Pilze höher wachsen also irgend sonst!‹, hatte er gesagt. Doch Dora trampelte ebenjenen Waldweg hinunter, als auf einmal merkwürdige Stimmen nach ihr riefen und sie ins Waldhäuschen von Nimbelsewskin lockten, wo schon bald das Schlachten begann.«
    Aus reiner Gewohnheit verfolgte Jody die Worte im Buch mit. Schon frühzeitig hatte sie gelernt, dass Abtrünnige, die sich immerhin Mühe gaben, weniger heftig verfolgt wurden als offensichtliche Rebellen. Marcus machte es genauso. Er tat so, als würde er wie alle anderen mitlesen, ließ den Blick dabei aber immer wieder nach links und rechts schweifen.
    Die Gesichter sämtlicher Erwachsener waren verklärt vor Entzückung, weil sie endlich wieder ins Reich des Prinzen der Dämmerung fliehen konnten. Viele verdrehten die Augen, bis fast nur noch das Weiß darin zu sehen war. Nur die Kinder, die an diesem Tag angereist waren, blieben

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