Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
dachte mir: Ich muss mal rübergehen und Hallo sagen.« Er hielt Charm den zweiten Becher hin, die ihn und das Getränk jedoch durch ihre dunklen Gläser nur eindringlich betrachtete.
»Das Zeug hat über vierhundert Kalorien«, teilte sie ihm mit.
Marcus tat schockiert. »Aber über so was musst du dir doch keine Gedanken machen!«, rief er entrüstet. »Nicht, wenn man so atemberaubend aussieht!«
»Sie hat diesen Diät-Tick schon, seit sie neun ist«, erklärte ihm die Mutter. »Im ganzen Haus duldet sie nicht einmal Orangenplätzchen! Im Schloss wird sie so viel zufriedener sein – mit solch dämlichen Nebensächlichkeiten gibt man sich dort nämlich nicht ab. Wenn man in ein gutes, kräftiges Korsett mit einem Holzeinsatz geschnürt ist, braucht man keine Kalorien zählen.«
»Na ja, egal woher sie ihre Schönheit hat, ich finde es gut.« Marcus erhob den Becher und prostete den beiden zu. »Ihr seid die heißesten Bräute weit und breit.«
Mrs Benedict warf ihm einen tadelnden Blick zu, aber jede Gelegenheit, ihre Tochter in den Himmel zu loben, war ihr recht. »Sie ist eine Augenweide, nicht wahr?«, sagte sie stolz. »Vor zwei Jahren war sie das Gesicht von Lancashire Mixed Pickles. In jeder Frittenbude im ganzen Land strahlte ihr Lächeln von den Gläsern mit den eingemachten Zwiebeln! ›Nur unser Essig ist wirklich sauer!‹ war der Slogan.«
Marcus klatschte sich an die Stirn. »Ich wusste doch, dass du ein Model sein musst! Hab ich’s doch gesagt, nicht?«
Charms Mutter nickte. »Oh ja, und sie ist ein echter Profi. Sie macht das schon, seit sie zehn ist, nicht wahr, Kind? Für dieses Jahr hatten wir eigentlich ihren großen Durchbruch geplant. Aber egal, wenn sie erst einmal in der wahren Welt aufwacht, wird sie es einmalig gut haben! Eine Zierde für das Reich wird sie sein!«
»Vielleicht kennen wir uns dort ja«, überlegte Marcus hoffnungsvoll. »Das wäre doch echt stark, dich hier und da zu kennen. Wie ist denn dein Name, Schönheit?«
»Charm«, antwortete sie bleiern.
»Was sonst?«, erwiderte er grinsend. »Und ich finde es charmant, dich kennenzulernen!«
Charm schwieg und ihre Sonnenbrille machte es Marcus unmöglich, in ihrem Gesicht zu lesen. Er versuchte es mit seinem typischen Augenzwinkern, für gewöhnlich hatte das eine ziemlich hohe Erfolgsrate. Doch Charm drehte sich unbeeindruckt der Bühne zu und Marcus meinte sogar, ein gelangweiltes Gähnen zu hören.
Die Vorstellung begann. Zunächst wurden eine Reihe von höfischen Tänzen gezeigt, an denen sich auch die Buben und Damen beteiligten. Dann folgte die Aufführung einer Szene aus dem Buch, in der die Herzdame von einem Punchinello-Wächter entführt und in eine Höhle unter einem der dreizehn Hügel verschleppt wurde. Die kleine hässliche Kreatur wurde von einem kleinwüchsigen Schauspieler in einem genialen Kostüm gemimt. Eine Vorrichtung verwandelte seine Schultern in einen Buckel und auf Brusthöhe war ein riesiger unechter Kopf mit rollenden Augen angenäht, der angemessen widerlich war. Als der Gnom das gefangene Mädchen bedrohte, hielten sich die kleineren Kinder im Publikum die Augen zu. Doch der Kreuzbube eilte im letzten Moment zur Rettung und hieb dem Unhold mit seinem Schwert den Kopf ab, der quer über die Tribüne kullerte.
»Oje, diese Viecher sind ja echt supereklig!«, sagte Charm zu ihrer Mutter. »Ich glaub, ich würde losbrüllen, falls mir mal eins über den Weg läuft.«
»Wenn dir eins über den Weg läuft«, verbesserte Mrs Benedict sie. »Aber keine Bange, Kind. Die Punchinellos stehen normalerweise unter dem strengen Kommando von Hauptmann Swazzle, der direkt dem Ismus unterstellt ist und sie im Zaum hält. Nur die Missetäter, die sich vor den Toren des Weißen Schlosses, in den Wäldern und Feldern herumtreiben, müssen sich in Acht nehmen. Aber du, die du so offensichtlich von edler Abstammung bist, musst sie nicht fürchten.«
»Weiß nicht recht … Trotzdem will ich denen nicht jeden Tag übern Weg rennen. Schneewittchen hat mir auch immer mächtig Schiss gemacht. Wenn die Prinzessin aufwacht und die ganzen kahlköpfigen Winzlinge sie begaffen … Das ist irgendwie ganz schön pervers. Weißt du, was ich meine?«
Marcus verhielt sich still. Er hörte, wie Mrs Benedict über Mooncaster redete, als wäre es ein realer Ort – so wie jeder andere, den er kannte. Ihm wollte einfach nicht in den Kopf, wie oder warum irgendjemand solchen kindischen Quatsch glauben konnte. Als dieser
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