Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
unberührt – sie und der Ismus.
Der Heilige Magus betrachtete das Meer aus nickenden Köpfen zu seinen Füßen. Sein fragender Blick blieb an jedem einzelnen dieser Kids hängen. Welcher?, fragte er sich. Welcher von ihnen?
Er sah, wie sehr sich Charm konzentrierte, wie sie verzweifelt darum bettelte, dass die Macht des Buchs auch sie verschlingen möge. Sogar das Kopfnicken probierte sie aus, allerdings erreichte sie damit nur, dass ihre Sonnenbrille in hohem Bogen auf die Bühne flog. Frustriert stieß sie ein leises Quietschen aus. Weiter hinten in der Menge erblickte der Ismus Lee Charles, der seinen Kopf im Takt der Musik, die in seinen Ohren dröhnte, bewegte. Er schenkte dem ganzen Geschehen um sich herum nicht das kleinste bisschen Aufmerksamkeit und hatte sich noch nicht mal ein Buch genommen. Dann entdeckte der Ismus Spencer. Nervös zappelte der Junge herum, während er sich darum bemühte, möglichst nicht aufzufallen.
Spencers zwölfjähriger Nachbar schließlich machte den Ismus stutzig. Etwas an der Art, wie Jim Parker verstohlen über sein T-Shirt streichelte, war merkwürdig, als würde er darunter etwas verstecken. Ganz in der Nähe hockte Tommy Williams, der sich wie ein verängstigtes Eichhörnchen umschaute. Ihn und die anderen kleinen Jungen hatte man mit Alasdair in eine Hütte gesteckt, um den sie sich nun ringten. Der Ismus musterte den Schotten und stellte fest, dass dieser seinen Blick unerschrocken erwiderte. In seinen jungen Augen brannte ein tiefer Hass. Könnte er derjenige sein?
Als die Lesung vorbei war, ertönten missgelauntes Grunzen und trauriges Schluchzen aus der Menge, weil die Menschen aus ihrem glückseligen Leben in Mooncaster gerissen wurden und sich hier wiederfanden.
Die Eltern traten nun in den Bussen die Heimreise an. Der Ismus dankte ihnen dafür, ihre Kinder vorbeigebracht zu haben, und drückte seine Zuversicht aus, dass ihre Sprösslinge beim nächsten Wiedersehen sicher ihre angedachten Rollen in der Welt von Dancing Jax gefunden hätten.
Kate Kryzewski und Sam filmten den Abschied. Obwohl sie zu Hause vernachlässigt worden und unglücklich gewesen waren, weinten viele der Kleineren, als ihre Eltern ohne sie in den Bus stiegen. Rupesh Karim versuchte sogar, hinter seinem Vater an Bord zu hüpfen, und musste mit Gewalt weggezerrt werden. Jody allerdings verzog sich in ihre Hütte, lange bevor ihre Eltern auf den Gedanken kamen, sich noch einmal nach ihr umzusehen. Nur ein Abschied war voll gegenseitiger Trauer.
»Mach dir keine Sorgen, mein Schatz«, sagte Mrs Benedict zu ihrer Tochter. »Wenn das Wochenende erst einmal vorbei ist, wirst du eine richtige Prinzessin sein – ganz bestimmt!«
Charm legte den Kopf schief und wedelte sich Luft zu, um die Tränen aufzuhalten. »Ich wünschte, du müsstest nicht gehen, Ma. Ich werd dich schrecklich vermissen.«
»Ist doch nur für zwei Tage«, tröstete ihre Mutter sie. »Montagmorgen komme ich in aller Frühe her und hole dich heim, hörst du?«
»Versprochen?«
»Ich schwöre! Wenn du bis dahin nicht viel zu glamourös für mich geworden bist. Und vergiss ja nicht: Sobald du im Schloss aufwachst, gehst du zu Witwe Tallowax in der Wäscherei und schenkst ihr ein oder zwei Silberpennys, damit sie sich Salbe für ihre armen spröden Hände kaufen kann!«
»Wird das Erste sein, was ich mache!«, versprach Charm. »Ich kauf dir alles, was die Herzkönigin so hat.«
Lächelnd streichelte ihre Mutter ihr über die Wange. »Du bist ein gutes Kind. Deine echte Mum wird ja so stolz auf dich sein. Gesegnet sei dieser Tag!«
Gerne hätte Charm ihr gesagt, wie lieb sie sie hatte, doch der Kloß in ihrem Hals machte das absolut unmöglich. Stattdessen warf sie ihrer Mutter schluchzend die Arme um den Hals.
»Keine Sorge«, verkündete Marcus und platzte in diesen mehr als persönlichen Augenblick hinein. »Ich pass schon auf sie auf.«
Keiner von beiden schenkte ihm Beachtung. Mrs Benedict stieg in den Bus und Charm formte lautlos die Worte, die ihr eben nicht über die Lippen gekommen waren. Ihre Mutter suchte sich einen Platz, setzte sich und winkte ihr.
Als die Busse losfuhren und über die lange Waldstraße verschwanden, verbarg Charm ihre Augen wieder hinter der Sonnenbrille.
»Wenn du dich ausheulen willst«, bot Marcus an und streckte die Arme aus, »meine Schulter ist wasserfest und eine dicke Umarmung hab ich auch zu bieten.«
Charm warf den Zopf in den Nacken und stolzierte davon. »Du bist eine Gurke,
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