Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
lehnte Drogen und Gewalt ab.
Nachmittags, in seinem Büro, las er bis zum späten Abend alles, dass seine Mitarbeiter zusammengetragen hatten. Der Autopsiebericht war gekommen, sowie weitere Details der Spurensicherung.
Es war fast Mitternacht, als er in der Wohnung ankam, aber selbst der lange Arbeitstag ließ ihn nicht einschlafen, obwohl er müde war. Kaum lag er im Bett, schwoll es in ihm hoch, das Gefühl erdrückt und verschlungen zu werden, verbunden mit dem verzerrten Gesicht seiner Ex-Frau.
Er war aus Bremen weggegangen, weil ihn dort jedes Fleckchen an sie erinnerte. Hatte gehofft, dass er sie vergessen würde, aber das war ein Trugschluss, wie er jeden Tag merkte.
In seiner alten Wohnung in Bremen hatte er es nicht ausgehalten, alles hatte ihn an Petra erinnert. Er wollte nicht ständig an seine gescheiterte Ehe, an sein gescheitertes Leben erinnert werden. So war er kaum noch nach Hause gefahren, hatte seine Abende, wenn nicht im Büro, dann in Kneipen verbracht, bis er nach Hause musste, zum Duschen, umziehen und um wenigstens hin und wieder ein wenig Schlaf zu bekommen.
Aber hier war es ebenso. Er sah sich um. Es wirkte so trist, alt, verbraucht, so wie er sich fühlte. Schweißperlen traten auf die Stirn, der Pulsschlag beschleunigte sich. Er musste fort. Schnell zog er eine Jogginghose und die Laufschuhe an. Das hatte er seit Monaten nicht absolviert. Alles hatte er seit Monaten nicht ausgeführt, dass sein früheres Leben bestimmt hatte, dass ihm Spaß bereitete, dazu gehörte Sport in jeglicher Form. Er absolvierte ein paar Dehnübungen, dann lief er los. Die Straße lag im Dunkeln, keine Menschen waren mehr zu sehen, aber das hatte ihn noch nie gestört. Gemächlich trabte er los, um nach einer Weile das Tempo ein wenig anzuziehen, immer schneller werdend. Er bog in einen kleinen Park ein, fühlte den weicheren Boden unter den Schuhsohlen. Jetzt sprintete er rascher, atmete dabei flacher, wie er bemerkte, versuchte seinen alten Rhythmus zu finden, aber irgendwie gelang es ihm nicht. So hastete er weiter. Er versuchte, sich auf sein Laufen zu konzentrieren, die Schritte und die Atmung zu koordinieren. Die Kehle kam ihm wie ausgetrocknet vor. Er atmete falsch, zu hastig, zu heftig, als wenn seine Lungen nicht genug Luft bekommen würden. Er wusste es, aber er konnte nicht dagegen an, raste vorwärts, mit einer Anstrengung, die ihm wie das Ende vorkam und er biss die Zähne zusammen. Früher hatte er zehn Kilometer geschafft, und zwar mit Leichtigkeit.
Nach einer Weile blieb er stehen. Sein Atem wallte rasselnd in ihm hoch, in den Lungen pikte es wie mit Nadeln. Er stöhnte, zwang sich weiter, langsam, fast torkelnd. Er sah die Straße zwischen den Bäumen, Sträuchern und wandte sich in die Richtung. Abermals blieb er stehen, beugte sich vor. Die Beine waren wie Pudding, die Oberschenkel brannten. Er sackte nach vorn, stützte die Hände auf die Knie, ließ den Kopf baumeln, japste nach Luft.
Nach einiger Zeit richtete er sich auf, versuchte tief einzuatmen, ließ die Schultern kreisen, bog den Kopf nach hinten, immer noch nach Luft ringend. Das Shirt klebte am Körper, war mit Schweiß durchdrängt.
„Puh“, schnaufte er. Er setzte sich schleppend wieder in Bewegung, fühlte auf einmal, wie sein Magen rebellierte, drehte sich zur Seite, würgte, aber versuchte das zu unterdrücken, blieb nur stehen, zog tief Luft ein, das andere verdrängend. Das Dröhnen in den Ohren, dass flaue Gefühl im Magen, den wackeligen Pudding in den Beinen, dass Seiten- stechen, dass rasende Klopfen seines Herzens.
„Merde! Du bist außer Form“, redete er mit sich selbst.
Mühsam stolperte er zurück, spürte überall den Schweiß, selbst im Gesicht, in den dunklen Bartstoppeln, den dunkelbraunen Haaren, die am Kopf klebten. In der Wohnung angekommen, zog er sich aus, duschte kalt und warm im Wechsel, trank zwischendurch Wasser und fühlte, wie er mehr Luft bekam und sich sein Herzschlag normalisierte. Es hatte trotzdem gut getan, obwohl er immer noch die Nachwirkungen in den Beinen spürte.
*
Morgens fuhr Daniel als Erstes zu dem Tatverdächtigen Volker Larsen. Er wollte noch einmal mit ihm sprechen. Dass, was er bisher von dem Täter wusste, passte nicht zu dem Mord.
Er war erschüttert, als er den jungen Mann erblickte. Der sah grau aus, die Lippen fast farblos, die Augen ohne leben. Er lief gebeugt, sah ihn apathisch an.
„Herr Larsen, wie geht es Ihnen?“, befragte er ihn trotzdem.
„Gut, soweit es einem
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