Danielle Steel
sich darüber zu freuen, dass er – aus welchem Grund auch immer – diese letzten Stunden in Amerika mit ihr teilte. Dann fiel ihr ein, dass es in seinem Leben keinen anderen Me nschen gab, m it dem er diese Zeit hätte verbringen können. Außer seinen Verwandten, die er seit Jahren nicht gesehen hatte, h atte er ja keine Familie. Einzig Charles Lindbergh schien ihm na he zu stehen. Joe war allein. Und nun wollte er mit Kate zusammen sein. Er hatte die Reise nach Boston nur ih retwegen auf sich genommen, so viel stand fest.
Kate erzählte Joe, dass ihre Eltern die Party für sie abgesagt
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hätten. Bisher hatte sie kein Wort darüber verloren, aber mittlerweile war es ohnehin ganz und gar nebensäch lich geworden. Die Jamisons waren übereingekommen, dass eine solche Feier in dieser Situat ion geschmacklos gewesen wäre. Außerdem würden ohnehin kaum junge Männer komme n. Clarke hatte Kate versprochen, dass sie das Fest nach dem Krieg nachholen würden.
»Es ist jetzt sowieso völlig gleichgültig«, sagte Kate. Joe nickte. »Wäre es ein ähnlich es Fest geworden wie das, wo wir uns letztes Jahr begegnet sind?«, f ragte er interess iert. Dieses Thema würde Kate vielleicht ein wenig zerstreuen. Sie sah so traurig aus, dass es ihm beinahe das Herz brach. Er war so unendlich dankbar, dass er ihr begegnet war. Und dabei hatte er Charles damals nur widerwillig zu jenem Ball begleitet. Zweifellos hatte das Schicksal seine Finger im Spiel geh abt. Kate lächelte Joe an. » Die Party s ollte nicht ganz so exquisit werden.« Sie hätten mit etwa zweihundert Gästen im Copley gefeiert. Auf dem Ball, wo sie sich kennen gelernt hatten, w aren siebenhundert Gäste gewesen, und es hatte reichlich Kaviar und Champagner gegeben. Man hätte ein ganzes Dorf damit versorgen können. »Ich bin froh, dass meine Eltern das Ganze abgesagt haben.« Kate hätte das Fest ohnehin nicht genießen können, denn sie würde mit Sicherheit immerzu an Joe denken müssen, der in England Tag für Tag sein Leben riskierte. Sie selbst hatte sich – wie ihre Mutter – f reiwillig zum Dienst beim Roten Kreuz gemeldet. In den nächsten Wochen würde es also einiges zu tun geben.
»Aber Sie werden weiter zum College gehen, nicht wahr?«, fragte Joe, und Kate nickte.
Lange Zeit saßen sie dort im Wohnzimmer und unterhielten sich. Zwischendurch brachte Elizabeth ihnen etwas zu essen. Sie verzichtete darauf, die jungen Leute zu fragen, ob man nicht gemeinsam i n der Küche essen wolle. Clarke hatte sie von seiner
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Meinung überzeugt. Auch ihr lag schließlich daran, dass Kate glücklich war.
Joe erhob sich, um sich bei E lizabeth für das Essen zu bedanken. Doch weder er noch Kate brachten einen Bissen hinunter. Er stellte die Teller auf den Tisch, wandte sich an Kate und nahm ihre Hand. Tränen schimmerten in ihren Augen, be vor er irgendetwas sagen konnte.
»Nicht weinen, Kate«, bat er sanft, als d ie Tränen über ihre Wangen rollten.
Sie hatte tap fer sein wollen, doch p lötzlich fehlte ihr die Kraft dazu. Sie konnte den Gedanken, dass ihm etwas zustoßen könnte, einfach nicht ertragen.
»Ich habe hundert Leben. Darauf können Sie sich verlassen«, versicherte Joe, doch es gelang ihm nicht, Kate zu trösten. A m liebsten hätte Joe Kate um ihre Hand gebeten, aber er wo llte nichts Unüberlegtes tun. Auf keinen Fall wollte e r Kate als achtzehnjährige Witwe zurücklassen. Sie hatte etwas Besseres verdient, und wenn er ihr dies nicht geben konnte, würde sie einen anderen finden. Sie sollte frei sein, wenn er fort ging, sie sollte während seiner Abwesenheit ihr Leben weiterführen. Doch Kate fühlte sich ihm so nahe, wie sie es selbst niemals für möglich gehalten hätte. Und schließlich konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie schaute ihn an und gestand ihm ihre Liebe. Joe erwiderte ruhig den Blick ihrer traurigen Augen und schwieg. Er ahnte nichts von dem Verlust, den sie als Kind erlitten hatte. Den Selbstmord ihres leiblichen Vaters h atte Kate niemals erwähnt. Joe hielt Clarke für ihren Vater. Doch plötzlich wurde ihre leidvolle Vergangenheit wieder lebendig, und die Tatsache, d ass Joe in den Krieg ziehen musste, war für Kate unerträglich.
»So etwas solltest du nicht sagen«, brachte Joe schließlich mühsam hervor. Er hatte sich so darum be müht, ihrer Zuneigung und seinen eigenen Gefühlen zu widerstehen. »Ich kann nicht …
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Ich möchte nicht, dass du dich an mich gebunden fühlst, wenn mir etwas
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