... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Teppich über sie beide. Wie ein Theatervorhang öffneten und schlossen sich die Wolken nach einem geheimnisvollen Muster, welches ein Sterblicher wohl nie verstehen würde. Ein Rest von Zauber lag über dem Hügel. Es war einer jener Momente, die man nie vergisst, angefüllt mit Ruhe und Harmonie und dem Gefühl, einem Menschen nicht nur körperlich, sondern im Herzen ganz nah zu sein. Es war, als ob sich die Erde langsamer drehen würde.
Und was Suse am meisten verwunderte: Matthias schien genau wie sie zu empfinden. Seine verträumte Miene sprach Bände. Er sah ungemein befriedigt aus, vollkommen entspannt und glücklich. Die Falten auf seiner Stirn und um seine Mundwinkel hatten sich geglättet, seine Augen strahlten wie ein von Sternen übersäter Himmel.
Plötzlich spürte sie das Flattern von Schmetterlingen an einer Stelle, wo sie nicht hingehörten. Im ersten Moment war sie derart überrascht, dass sie die Luft anhielt und tief in sich hinein horchte , um sich zu vergewissern. Kein Zweifel! Es waren Schmetterlinge. Mit einem wohligen Seufzer rückte sie dichter an Clausings warmen, festen Körper.
Er schob den Arm unter ihren N acken, zog sie zu sich heran und wünschte sich, in Augenblicken wie diesen würde die Zeit stehen bleiben, damit er so lange in ihnen verweilen konnte, bis er bereit war, sein Leben wieder aufzunehmen.
Woher nahm dieser kleine Besen bloß eine solch unbändige Energie? Bei ihr fühlte er sich wie ein anderer Mensch. Zwanzig Jahre, die Hälfte seines Lebens, hatte er auf See verbracht. Die meiste Zeit hatte er Wasser, soweit das Auge reichte, und den unendlichen Himmel über sich gehabt, die Freiheit, ein Schiff und dessen Besatzung zu kommandieren, und die Verantwortung, beides wohlbehalten nach Hause zu bringen. Stets hatte er dabei den Spruch eines weisen Mannes im Hinterkopf gehabt: Du findest auf See, was immer du suchst. Und doch war er nie zufriedener gewesen als in diesen Minuten, da er spürte, wie sehr er mit dem heimatlichen Boden verwurzelt war. Heimat! Das erste Mal fühlte er sich tatsächlich zu Hause.
Er stellte sich vor, wie es werden würde, wenn endlich Suses Kinder auf Sean Garraí eintrafen. Nur noch wenige Tage. Máire würde auf den ersten Blick ihr Herz an die Jungen verlieren und den beiden Größeren den lieben langen Tag von einer Bank im blühenden Garten beim Spielen zusehen und dabei den einjährigen Julian auf dem Schoß wiegen und ihm gälische Lieder vorsingen und ihn mit Süßigkeiten vollstopfen.
Ihm selbst würde Damien während der ersten Zeit keinen Schritt von der Seite weichen. So war es bisher immer gewesen, wenn er von einer Reise zurückgekehrt war. Noch keine vier Jahre alt schaute der Blondschopf zu ihm auf wie zu einem Helden – ein Kapitän, groß und eindrucksvoll von Gestalt, mit herrischer Stimme, wenn es denn sein musste, der über die Macht verfügte, ein riesiges Schiff zu kommandieren, was ein Kind natürlich in atemloses Staunen versetzen konnte.
Schmunzelnd erinnerte er sich, wie ausdauernd der Lütte die goldenen Knöpfe an seiner Uniform bewundert hatte. Damien war jetzt in einem Alter, in dem er alles und jeden zu kopieren versuchte, vor allem ihn, seine Haltung, seinen Gang, seine Art zu sprechen.
Der Kleine vermisste seinen Vater!
Alle vermissten sie Ossi. Der Älteste, Manuel, war bereits verständig genug, um den Verlust seines Vaters bewusst miterlebt zu haben. Das Unbegreifliche der tragischen Ereignisse, den Schmerz und die Trauer. Die Einsamkeit. Seitdem war er viel zu ruhig und in sich gekehrt.
Und Suse … Susanne. Susanne Reichelt. Susanne Clausing?
Sie würde immer in Aktion sein, nie beruhigend auf ihn wirken. Sie würde provozieren, streiten, ihn bis zur Weißglut reizen und dabei fluchen wie ein Seemann, bis selbst die Luft davon rot wurde. Sie war so unberechenbar wie ein Feuerwerkskörper, der jederzeit explodieren und in eine unerwartete Richtung davonfliegen konnte. Nicht gerade das, was ihm vorschwebte, wenn er selten genug an Heirat und eine Ehefrau gedacht hatte. Nicht im Geringsten entsprach Suse diesem Bild, sinnierte er. Oft genug hatte er sich gefragt, wie eine intelligente Frau dermaßen giftig und halsstarrig sein konnte.
Nichtsdestotrotz war sie genau das, was er wollte.
Ihm war bewusst, welches Risiko er einging, indem er sie liebte. Wenn er ihr sein Herz schenkte, musste er für den Rest seines Lebens fürchten, sie wieder zu verlieren. Davor hatte er größere Angst als vor einem
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