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Dann eben nicht, Jeeves

Dann eben nicht, Jeeves

Titel: Dann eben nicht, Jeeves Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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lethargisch, worauf Seine Lordschaft ihm in der wohlmeinenden Absicht, ihn wieder aufzumuntern, ein Stück Mohnkuchen anbot, das er in alten Portwein getaucht hatte. Das Tier nahm das Angebot dankbar an und verzehrte den Kuchen mit allen Anzeichen der Zufriedenheit. Gleich darauf jedoch wurde sein Verhalten hektisch und unbeherrscht. Erst biß der Papagei Seine Lordschaft in den Daumen, dann sang er ein paar Takte eines Seemannslieds, schließlich fiel er auf den Boden seines Käfigs, die Beine in die Luft gestreckt, und in dieser Position blieb er reglos eine ganze Weile liegen. Ich erwähne das nur, Sir, um …«
    Der gravierende Denkfehler war mir sofort aufgefallen, und jetzt wies ich darauf hin.
    »Aber Gussie ist kein Papagei.«
    »Nein, Sir, aber …«
    »Ich glaube, es ist an der Zeit, daß die Frage, was Gussie denn nun eigentlich ist, ein für allemal geklärt wird. Er selbst scheint sich für einen männlichen Molch zu halten, während Sie offenbar unterstellen, er sei ein Papagei. Tatsache ist jedoch, daß er ganz schlicht und einfach ein Mondkalb ist und dringender als sonstjemand einen Schluck aus der Pulle braucht. Deshalb keine weiteren Worte mehr, Jeeves. Mein Entschluß steht fest. Es gibt nur eine Möglichkeit, diesen Fall zu lösen, und diese Möglichkeit habe ich Ihnen soeben skizziert.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Soviel also dazu, Jeeves. Und nun noch etwas: Sie werden bemerkt haben, daß ich sagte, ich würde den Plan morgen ausführen, und sicherlich haben Sie sich gefragt, warum ich ›morgen‹ gesagt habe. Na, was meinen Sie?«
    »Vielleicht haben Sie sich gesagt: ›Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn‹, Sir?«
    »Das trifft’s nur teilweise, Jeeves. Hauptsächlich habe ich mich für den morgigen Termin deswegen entschieden, weil morgen – was Sie sicherlich wieder vergessen haben – in der Höheren Schule von Market Snodsbury die Preise verteilt werden, und dabei soll ja, wie Sie wissen, Gussie den Hauptdarsteller und Zeremonienmeister machen. Wenn wir ihm also etwas Hochprozentiges in seinen Orangensaft tun, dann machen wir ihn nicht nur fit für seine Werbung um Miss Bassett, sondern wir verhelfen ihm zu solcher Hochform, daß er die Zuhörerschaft aus Market Snodsbury in Bann schlagen wird.«
    »Mit anderen Worten, Sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, Sir.«
    »Genau. Das haben Sie sehr schön gesagt. Und nun noch eine Kleinigkeit. Wenn ich’s mir recht überlege, ist es vielleicht besser, wenn Sie und nicht ich den Orangensaft pansche.«
    »Sir?«
    »Jeeves!«
    »Ich bitte um Entschuldigung, Sir.«
    »Ich will Ihnen auch sagen, warum das besser ist. Weil Sie nämlich mühelos an das Zeug herankommen. Ich habe bemerkt, daß Gussie seinen Saft jeden Tag in einem eigenen Krug serviert bekommt. Dieser Krug wird vermutlich morgen vor dem Mittagessen irgendwo in der Küche herumstehen. Da ist es dann für Sie ein Kinderspiel, ein paar Fingerbreit Gin dazuzugießen.«
    »Gewiß, Sir, aber …«
    »Kein Aber, Jeeves.«
    »Ich fürchte, Sir …«
    »›Ich fürchte‹ ist genauso schlecht.«
    »Was ich sagen will, Sir, ist, daß es mir sehr leid tut, daß ich jedoch auf einem eindeutigen nolle prosequi beharren muß.«
    »Auf einem was?«
    »Das ist ein juristischer Terminus, Sir, der die Entschlossenheit zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Sache nicht weiter zu verfolgen. Anders ausgedrückt, Sir: So bemüht ich auch sonst bin, Ihre Aufträge auszuführen – in diesem Fall muß ich Ihnen meine Kooperationsbereitschaft ergebenst versagen.«
    »Sie meinen, Sie wollen nicht?«
    »Ganz recht, Sir.«
    Ich war sprachlos. Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie einem General zumute sein muß, wenn er einem Regiment befiehlt anzugreifen und dann gesagt bekommt, die Leute hätten gerade keine Lust.
    »Jeeves«, sagte ich, »das hätte ich nicht von Ihnen gedacht.«
    »Nein, Sir?«
    »Nein, wahrhaftig nicht. Ich sehe zwar ein, daß das Panschen von Gussies Orangensaft mit Gin nicht zu den normalen Obliegenheiten gehört, für die Sie Ihr monatliches Salär erhalten, und wenn Sie sich auf den Wortlaut Ihres Arbeitsvertrages berufen wollen, dann sind Sie zweifellos im Recht. Aber dem Geist unseres ruhmreichen Hauses, wenn ich das mal so nennen darf, entspricht das nicht.«
    »Das tut mir leid, Sir.«
    »Schon gut, Jeeves, schon gut. Ich bin Ihnen nicht böse. Ich bin nur ein bißchen enttäuscht.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Na schön, Jeeves, dann eben nicht.«

14
    Meine Erkundigungen

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