Dann eben nicht, Jeeves
Ordnung, Tuppy, alter Junge. Dein Haar, meine ich.«
»Und mein Haar ist auch nicht dünn geworden … Was gibt’s denn da zu grinsen?«
»Ich grinse nicht, ich lächle nur fein. Vor meinem geistigen Auge – wenn du verstehst, was ich damit meine – bist du mir eben so erschienen, wie Angela dich sieht. Dicker Bauch und dünne Haare. Sehr komisch.«
»So, das findest du komisch?!«
»Ganz und gar nicht.«
»Das will ich dir auch raten.«
»Schon gut.«
Unser Gespräch schien wieder problematisch zu werden, und ich hoffte inständig, daß es bald ein Ende fände. Und das tat es dann auch. In diesem Augenblick schwebte nämlich etwas bei der Sterne bleichem Scheine durch des Gartens düstres Laub, und ich sah, daß es Angela war.
Sie sah bezaubernd und engelsgleich aus und trug ein Tablett mit Sandwiches. Schinkensandwiches, wie ich später feststellte.
»Wenn du zufällig Mr. Glossop treffen solltest, Bertie«, sagte sie, während ihr Blick verträumt auf Tuppys Physiognomie ruhte, »dann gib ihm doch bitte das hier. Der arme Kerl ist bestimmt ganz ausgehungert. Es ist schon fast zehn Uhr, und er hat seit dem Abendessen kein Häppchen mehr bekommen. Ich stelle das Tablett hier auf die Bank.«
Sie tippelte wieder davon, und da dachte ich mir, ich könnte sie eigentlich begleiten. Ich meine, hier gab es doch für mich nichts mehr zu tun. Wir gingen gerade auf das Haus zu, als wir hinter uns in der Dunkelheit das Scheppern eines von einem Fußtritt getroffenen Tabletts mit Schinkensandwiches vernahmen, begleitet von den erstickten Flüchen eines Rauhbeins in Rage.
»Wie still und friedlich es hier ist«, sagte Angela.
16
Die Sonne vergoldete bereits die Landschaft rings um Brinkley Court, und an mein Ohr drang lebhaftes Vogelgezwitscher aus dem Efeu vor dem Fenster, als ich am nächsten Morgen erwachte. In Bertram Woosters Herz schien jedoch nicht die Sonne, und seine Seele zwitscherte keineswegs, als er sich in den Kissen aufrichtete, um eine Tasse stärkenden Morgentee zu sich zu nehmen. Als Bertram sich nämlich die Ereignisse des letzten Abends noch einmal durch den Kopf gehen ließ, erschien ihm – daran gab es nichts zu deuteln – die Beziehung Tuppy/Angela völlig verfahren. So angestrengt ich auch nach dem Silberstreif am Horizont Ausschau hielt, ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Kluft zwischen diesen beiden unversöhnlichen Parteien so gewaltige Ausmaße angenommen hatte, daß es selbst meine Kräfte übersteigen würde, sie zu überbrücken.
Ich bin bekanntlich ein scharfer Beobachter, und aus der Art des Trittes, den Tuppy dem Sandwichtablett versetzt hatte, schloß ich, daß er nicht so schnell einlenken würde.
Dieserhalben dünkte es mir das beste, das Problem einstweilen auf Eis zu legen und mich Gussie zuzuwenden, dessen Fall sich mir in einem helleren Licht darstellte.
Was Gussie betraf, so flutschte alles nur so. Jeeves’ Weigerung, dem Jungen etwas in den Orangensaft zu kippen, hatte mir zwar einige Kopfschmerzen bereitet, aber in der bewährten Woosterschen Manier hatte ich dann alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Ich besorgte mir eine ordentliche Portion Schnaps, und dieser lag nun in einer Flasche in meiner Wäschekommode. Außerdem hatte ich mich vergewissert, daß der Krug mit dem Saft wie üblich wohlgefüllt gegen ein Uhr in der Küche stehen würde. Ihn mir von dort heimlich zu holen und auf sachten Socken in mein Zimmer zu schaffen, um ihn dann mit Gin angereichert rechtzeitig vor dem Mittagsmahl wieder zurückzustellen, würde zweifellos einige Geschicklichkeit erfordern, ohne jedoch allzu schwierig zu sein.
Ich fühlte mich wie jemand, der im Begriff ist, einem braven Kind eine Freude zu bereiten, als ich meinen Tee austrank und mich dann noch einmal zur Seite drehte, um ein bißchen zusätzlichen Schlaf zu bekommen, der ja so wichtig ist, wenn ein Stück Männerarbeit vor einem liegt, für die man unbedingt einen ausgeruhten Kopf braucht.
Als ich etwa eine Stunde später die Treppe herunter kam, sah ich, wie recht ich gehabt hatte, diesen Plan zur Beflügelung Gussies zu entwerfen. Ich begegnete ihm draußen im Garten und erkannte sofort: Wenn jemals einer einen kräftigen Schluck Seelentröster benötigt hatte, dann war er das. Wie ich schon erwähnte, lächelte ringsum die ganze Natur – aber nicht Augustus Fink-Nottle. Er lief im Kreis herum und murmelte dabei ständig etwas von unserer Geduld, die er nicht lange beanspruchen wolle,
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