Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann fressen ihn die Raben

Dann fressen ihn die Raben

Titel: Dann fressen ihn die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Meinke
Vom Netzwerk:
und ihr ganzes Leben wie ein Katzenjunges behandelt zu werden? Oder zu leben, wie Katzen es nun einmal tun – und daran zu sterben? Ich habe keine Ahnung, was mehr wehtut, aber ich weiß, was am demütigendsten ist. Es geht nicht so sehr um die Qualen der Tiere, sondern vor allem um ihre Würde. Aber am allermeisten geht es um uns Menschen, um unsere eigene Würde. Wie wir mit der Erde verbunden sind und sie zerstören und damit auch unsere eigene … Menschlichkeit. Wir tun das nicht für die einzelne Katze, die in einem warmen Käfig beim Katzenschutzverein hockt, sondern für alle anderen Katzen und für alle anderen Menschen.“
    In Gedanken war ich bereits dabei, die Fenster einzuwerfen und die Katzen freizulassen, vor den Bullen zu flüchten und vielleicht sogar auf der Wache verhört zu werden und nicht das Geringste zu verraten.
    „In Ordnung. Wann soll es losgehen?“
    „Jetzt feiern wir erst mal ein bisschen, okay?“ Aske lächelte und nickte Rudi zu.
    „Yes, sir“, rief Rudi und angelte drei lange Joints aus seiner Tasche.
    „Rauchst du?“, fragte er.
    „Was, glaubst du, hat er getan, als wir ihn draußen vor dem ätzenden Wirtshaus getroffen haben?“, lachte Mira und rückte schnell einen halben Zentimeter näher an mich heran. Die Wärme, der Joint, der Duft … ich fühlte mich sorglos und entspannt. Ich wandte mich Mira zu und küsste sie lange und zärtlich. Wir tranken ein paar Bier. Sie stellten mir Fragen, ich antwortete. Dann klingelte mein Telefon.
    Rie. Das ging gar nicht. Nicht jetzt. Wie sie mich angestarrt hatte. Ich stellte mein Handy aus und gab Mira einen langen, feuchten Kuss. Zehn Minuten später gingen wir in ein anderes Zimmer. Mira schloss die Tür zu und zog sich ihr Oberteil über den Kopf. Ich würde mir wünschen, alle Frauen täten das in Slow Motion. Dieser Moment, wenn der Stoff die Brüste freigibt … Wir schliefen ziemlich lange miteinander, auf eine träge, schlafwandlerische Weise. Das Bier pochte in meinem Körper. Und ich dachte an gar nichts. Absolut nichts. Ich sah, wie sie sich bewegte. Und spielte mit. Es war eine Befreiung.
    Fertig am Freitag. Als ich von dem Haus in Christianshavn nach Hause lief, ging langsam die Sonne über Kopenhagen auf, und mir blieben noch ungefähr acht Stunden, um eine Projektarbeitzu schreiben. In meinem Zimmer angekommen, legte ich mich sofort aufs Bett und schlief in meinen Klamotten ein. Um halb eins machte ich mich ohne Projekt auf den Weg ins Gymnasium. Dafür hatte ich mich perfekt auf die Situation vorbereitet. Ich schmierte mir etwas Lippenbalsam unter die Augen, hustete schrecklich – und schwups – hatte ich eine schwere Grippe. Ich reihte mich in die Schlange vor dem Pult ein und erklärte trocken, dass ich leider nicht rechtzeitig abliefern könne.
    „Nick, verdammt noch mal!“, sagte unser Lehrer René und seufzte laut.
    Als alle abgegeben hatten, zitierte er mich dann direkt noch einmal zu sich.
    „Okay Nick, was machen wir jetzt?“
    „Keine Ahnung.“
    „Kannst du denn nicht wenigstens in den nächsten Tagen irgendwas abliefern?“
    „Doch, bestimmt.“
    „Ich habe mit dem Rektor gesprochen. Du würdest jetzt eigentlich von der Schule fliegen, darüber bist du dir doch wohl im Klaren? Du bist wirklich ein Hornochse!“ Er seufzte erneut.
    „Worüber willst du schreiben?“
    „Über Selbstjustiz und Tierquälerei“, platzte es aus mir heraus. Zwei Wörter, die urplötzlich auf meinem Schirm aufgetaucht waren.
    „Und wann kannst du damit fertig sein? In einer Woche?“
    „Drei Wochen“, antwortete ich. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch, blickte zur Tür und wartete, bis die letzten Schüler gegangen waren. Dann sagte er leise:
    „Wenn du nicht in …“, er warf einen Blick in seinen Kalender, „… genau siebzehn Tagen hier stehst, fliegst du. Und wenn du irgendjemandem erzählst, was wir vereinbart haben, werde ichbehaupten, du lügst.“ Er drehte sich mit seinem Stuhl weg und sah auf den Boden.
    „Stehst du etwa immer noch hier? Sieh endlich zu, dass du nach Hause kommst und schreibst, du Idiot!“, knurrte er. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
    „WHAT?“ Liv bekam wieder diesen aggressiven Zug um den Mund. Mehr als je zuvor sah sie aus wie ein großer, schöner Atompilz, und ich genoss ihre Aufmerksamkeit, ganz gleich, womit ich sie erzeugt hatte.
    „Aha …“, sagte sie. „Prinzipiell freut mich das natürlich für dich. Aber wie schaffst du es bloß immer wieder, ins Klo zu

Weitere Kostenlose Bücher