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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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die Zähne zusammen. »Wenn ich dir das Zeug gebe, bin ich dann wirklich aus dem Schneider oder werde ich irgendwann tot aufgefunden wie Lina und Kimoni?«
    »Wir töten doch niemanden.« Die Stimme klingt sehr genervt und belustigt gleichzeitig.
    »Wer ist wir? Oder seid Ihr gar eine königliche Majestät?«
    Ich kriege einen Schlag in den Bauch. Treffer!
    »Los jetzt!« Ich werde unsanft von dem Stuhl gerissen und vorwärtsgeschubst. Ich versuche trotz allem, klar zu denken. Sie können mich doch nicht mit verbundenen Augen durch die Stadt führen. Hier leben Menschen, meine Eltern haben vermutlich schon die Polizei alarmiert. Nicht zu vergessen, dass Frau Vogel ja auch noch da ist. Wenn wir in ihrer Wohnung sind, könnte ich diese Typen in eine Ecke locken und dort Kartons auf sie stürzen lassen oder so etwas. Das ist zwar noch kein toller Plan, aber wenigstens ein Plan.
    Ich bin kein Opfer, gerate aber leider ins Taumeln. Die Stimme packt mich am rechten Arm. »Schön, dass du dich so klug entschieden hast. Gehen wir weiter.«
    Eine Tür wird aufgerissen, dann Schreie, ich kann die Stimmen nicht erkennen, so außer sich sind sie vor Zorn. Der Schatten versetzt mir einen derartigen Stoß, dass ich zwei Schritte stolpere und dann hinfalle, und weil ich keine Hände frei habe, um mich abzustützen, versuche ich, mich abzurollen, damit ich nicht auf den Kopf falle. Benommen bleibe ich einen Moment am Boden, dann höre ich Kampfgeräusche, wieder Schreie, dann einen Schlag, ein Krachen und noch einen Schlag.
    Dann beugt sich jemand schwer atmend über mich und zerrt mir den Schal weg. Ich blicke in dunkle Augen, die mir so vertraut vorkommen, dass ich in Tränen hätte ausbrechen können. Wenn ich nicht direkt hinter John eine massige Gestalt entdeckt hätte, deren hellgrauer Anzug voller Blut ist, das ihm aus der Nase rinnt. Und seitlich davon liegt noch jemand auf dem schmutzigen Linoleumboden, direkt vor einer uralten Heizung. Und obwohl ich nur seinen Rücken sehen kann und seine lockigen braunen Haare, weiß ich trotzdem, wer er ist. Der Typ, der mich so freundlich angelächelt hat, der mit mir in der Mensa geradezu an seinem Tisch geflirtet hat und mich doch nur aushorchen wollte, der Typ, der mit Leon herumgetollt und ihn dann vergiftet hat, der Typ, dessen Vater diesen Scheck überreicht hat und der einen schwarzen BMW fährt. Der Typ, der beim Foto vom toten Kimoni kalt wie Hundeschnauze bleibt und einen Folterknecht zum Gehilfen hat. Dennis Wallenstein junior. Ich könnte kotzen.
    »Bist du in Ordnung?«, fragt John total besorgt und offensichtlich schon zum zweiten Mal. Er beugt sich über mich und durchtrennt die Fesseln mit einem Taschenmesser. »Was haben diese Dreckskerle dir angetan?«
    »Nichts«, antworte ich und begreife in der Sekunde, in der ich es gesagt habe, was für eine Ungeheuerlichkeit ich da gerade von mir gegeben habe, denn sie haben mich unglaublich verletzt und gedemütigt. »Ich meine, ich lebe noch.«
    »Das sehe ich.« John lächelt ganz unerwartet und ich fühle mich trotz der Schmerzen und des Zorns wieder wie ich selbst.
    »Wir müssen sofort weg von hier.« John schaut nervös über seine breiten Schultern.
    »Unsinn, wir müssen die Polizei rufen.«
    Johns Augen weiten sich entsetzt, was mich zu einem schrecklichen Gedanken bringt. »Oder hast du die beiden getötet?«
    John schüttelt vehement den Kopf. »Obwohl es mir sehr schwergefallen ist, mich zu beherrschen.«
    Ich riskiere einen weiteren Blick über Johns Schulter. Dennis liegt noch immer am Boden, offensichtlich bewusstlos, doch der massige Afrikaner stöhnt jetzt und macht Anstalten, zu sich zu kommen.
    »Wer ist er?«
    »Das ist Amari, er ist der Knecht von Dennis. Wir müssen schnellstens hier weg.«
    »Aber wir können die beiden doch nicht so liegen lassen«, sage ich und frage mich sofort, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Ist mir doch scheißegal, ob Dennis eine Gehirnerschütterung oder sonst etwas hat, soll er gefälligst daran zugrunde gehen!
    In diesem Moment sehe ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln.
    »Vorsicht«, schreie ich, da hat sich Amari schon aufgerappelt und stürzt sich auf John. Sie sind beide gleich groß, aber Amari wirkt massiger.
    »Verräter!«, zischt Amari und legt seine Hände um Johns Hals.
    »Mörder!«, gibt John zurück und würgt Amari, dann rollen die beiden erbittert über den Fußboden, sie keuchen, versuchen, sich zu befreien, und sind doch in den Händen des anderen

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