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Dann gib ihm die Axt

Dann gib ihm die Axt

Titel: Dann gib ihm die Axt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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Treppe höher«, las ich auf einem Hinweisschild. Ich stieg hinauf und fand mich in einem kleinen Empfangsraum mit einem Tisch, ein paar Sesseln und einem kleinen Schalter mit der Aufschrift »Anmeldung«.
    Die Anmeldung war unbesetzt. Die Klapptür, die offensichtlich in die Büroräume führte, war ebenfalls geschlossen, aber mit einem gewissen Kniff bekommt man diese Art von Schlössern immer auf.
    Vor mir lag ein langer Gang, von dem mehrere Türen abgingen.
    Auf den Milchglasscheiben stand in Goldbuchstaben: Verkaufsleiter — >Finanzdirektor< — >Buchhaltung< und — an der letzten — >Präsident<.
    Von unten hörte man ab und zu Türenschlagen und Gesprächsfetzen. Hier oben war es still wie in einem Gerichtssaal, nachdem der Angeklagte zum Tode verurteilt worden ist und der Richter seine Papiere zusammengerafft und sich auf den Weg zum Golfspielen gemacht hat.
    Ich öffnete die Tür zum Präsidentenzimmer.
    Ellery Crail saß an seinem Schreibtisch, den Kopf gesenkt, die großen, tüchtigen Hände so fest zusammengekrampft, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    Er hörte und sah mich nicht kommen, sondern starrte unbeweglich, mit finsterem, gequältem Gesicht ins Leere, wie in Trance.
    Ich ging über den dicken Teppich, der meine Schritte schluckte. Erst als ich mich auf den Sessel ihm gegenüber setzte, wurde er aufmerksam und sah verärgert hoch. Auch dann dauerte es noch einen Augenblick, bis er mich erkannte. »Sie sind das.«
    Ich nickte.
    »Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Durch die Tür.«
    »Die ist doch normalerweise verschlossen!«
    »Mag sein. Ich möchte, daß Sie sich mit Georgia Rushe in Verbindung setzen.«
    »Sie ist nicht mehr hier. Sie ist nach Hause gegangen.«
    Ich sagte: »Ich habe den Eindruck, daß Ihre geschätzte Mitarbeiterin die Kurve gekratzt hat.«
    Er starrte mich an. »Die Kurve gekratzt? Nein, Lam, das — das darf einfach nicht wahr sein.«
    »Ich meine damit«, erklärte ich, »daß sie sich aus dem Staub gemacht hat.«
    »Ach so, ich dachte — «
    »Was?«
    »Nichts weiter...«
    »Gift?«
    »Vielleicht...«
    »Fahren wir auf alle Fälle mal bei ihr vorbei«, sagte ich. »Falls Sie die Adresse nicht kennen, kann ich Ihnen helfen. 207 West Orleans Avenue. Ich habe meinen Wagen unten.«
    Er sah mich scharf an. »Wieviel wissen Sie?«
    »So viel, daß Sie mir nichts zu sagen brauchen, was Sie nicht sagen wollen.«
    Er schob seinen Stuhl zurück. »Gehen wir.«
    Wir gingen die Treppe hinunter. Jetzt stand ein Wachmann an der Haustür. Mechanisch sagte er: »Gute Nacht, Mr. Crail.«
    »Gute Nacht, Tom«, gab Crail zurück.
    Die Tür fiel klickend hinter uns ins Schloß. Ich zeigte auf unsere Firmenkutsche. »Da ist er.«
    Ich setzte mich ans Steuer. Der Verkehr war zu dieser Zeit ziemlich dicht, aber ich ließ es auf eine Verwarnung ankommen, und wir schafften es in knapp zehn Minuten zur West Orleans Avenue.
    Es war ein alter Kasten, der nicht einmal den Versuch gemacht hatte, den Schmutz und die Risse von Jahrzehnten unter einer modernen Fassade zu verstecken. Ein paar spärliche Efeuranken kletterten an den Außenmauern hoch. Die schmalen Fenster kündeten von Düsternis und ungenügender Belüftung. Man spürte schon von außen die Atmosphäre der Mutlosigkeit, und ich meinte die Essensdünste und defekten Gasheizungen zu riechen.
    Ich verlangsamte meinen Schritt. Crail ging voran.
    Er drückte den Klingelknopf neben dem Namenszug »Georgia Rushe«, einer Zeile aus einer Visitenkarte in gotischen Lettern.
    Nichts geschah.
    Das Haustürschloß machte einen etwas stabileren Eindruck als das sonst in derartigen Häusern üblich ist. Ein Exemplar aus meiner Nachschlüsselsammlung wäre trotzdem bestimmt damit fertig ge-' worden. Aber ich wollte noch nicht alle meine Karten aufdecken. Deshalb drückte ich aufs Geratewohl zwei oder drei Klingelknöpfe und hörte, wie die Türöffner betätigt wurden.
    Die Haustür öffnete sich für uns.
    Auf Georgia Rushes Hausbriefkasten stand die Nummer ihres Appartements: 243. Möglich, daß im Hausflur irgendwo in einer dunklen Ecke auch ein Lift war. Ich hielt mich nicht lange damit auf, danach zu suchen, sondern rannte die Treppen hoch, immer zwei Stufen auf einmal. Crail hastete schweratmend hinter mir her.
    Im Appartement 243 rührte sich auf mein Klopfen hin nichts.
    Ich sah Crail an. Sein Gesicht war verfallen. Selbst in dem trüben Licht des stickigen, miefigen Ganges sah ich, wie bleich er war und wie tief sich die Falten um seine

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