Dann klappt's auch mit dem Doktor
sprechen wir, oder eher gesagt Ben über seine Wohnungen. Er scheint einen richtig guten Job zu haben. Sein Gehalt beträgt seinen Angaben zufolge etwa das Dreifache von meinem. Er hat eine schöne, im Bauhausstil eingerichtete Eigentumswohnung, allerdings ohne Balkon, und er hat sich den Porsche gegönnt. Ansonsten legt er sein Geld fleiÃig in weiteren Eigentumswohnungen an. Vier hat er bereits, die er gewinnbringend vermietet, und er möchte sich vergröÃern. Wenn er durch die Stadt fährt, schaut er sich ständig nach neuen Wohnungen um. Nach insgesamt eineinhalb Stunden romantischen Abendessens verschwindet Ben nach Hause an seinen Schreibtisch. Natürlich nicht ohne eine ausgiebige Abschiedsknutscherei. Er hat halt leider viel zu tun, mein erfolgreicher Chirurg. Aber küssen kann er! Wie ich schon sagte. Das ist vielversprechend!
Es ist zweiundzwanzig Uhr, die Flasche Wein ist noch halb voll, der Abend halb angebrochen, La Traviata fängt an zu nerven, und ich rufe Vera an. Sie hatte sich vorgenommen, den Abend in Ruhe vor dem Fernseher zu verbringen, und ist in einer Viertelstunde da.
»Was ist passiert? Du musst mir unbedingt alles erzählen«, stürmt sie mit einem vollbepackten Korb unterm Arm in meine Wohnung.
»Nichts ist passiert. Ben muss morgen früh arbeiten, und ich dachte, wir nutzen den Rest des Abends, um einen Wein zu trinken und zu quatschen.«
»Sicher?«, Vera sieht mich zweifelnd an und stellt den offensichtlich schweren Korb auf dem Küchentisch ab.
»Ich dachte schon â¦Â«
»Was dachtest du? Was hast du überhaupt in diesem Korb?«
»Ein Liebeskummer-Notfallpaket. Wenn dein Abendessen so schnell beendet ist und du mich fragst, ob ich auf einen Wein rüberkomme, muss ich ja das Schlimmste annehmen.«
Vera, die noch ein wenig auÃer Puste ist, packt ihren Korb aus: zwei Flaschen Prosecco, Marzipan- und Pfefferminzschokolade, dazu noch Schokoladeneis. Eine DVD mit einem Schnulzenfilm steckt sie gleich wieder ein.
»Also, dann brauchen wir Stolz und Vorurteil ja wohl nicht.«
Ist aber eine tolle Idee! Ich bin wirklich gerührt, wie fürsorglich Vera ist. Wir setzen uns auf die Terrasse, wo ich inzwischen die Kerzen angezündet habe.
»Es ist wirklich alles in Ordnung. Ben und ich hatten einen wunderschönen Abend«, sage ich, während ich Vera ein Glas Wein einschenke.
»Aber kurz.«
»Ja, das stimmt, Ben hat morgen Dienst und muss sich für eine wichtige OP , die sie dummerweise fürs Wochenende geplant haben, vorbereiten. Es scheint sehr wichtig zu sein.«
»Dann solltest du seiner Karriere natürlich nicht im Wege stehen.«
»Höre ich da einen Hauch von Sarkasmus in deiner Stimme?«
»Vielleicht ein wenig. Ich meine ja nur. Ihr seht euch echt selten. Und eigentlich nimmt man sich doch Zeit füreinander, wenn man verliebt ist.«
»Das tun wir doch, wir haben nur beide nicht unendlich viel Zeit. Immerhin haben wir ein gemeinsames Wochenende geplant.«
»Die Fortbildung.«
»Genau. Vera, ich weiÃ, es ist lieb gemeint, aber du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ben ist ein toller Mann, und ich habe die Lage voll im Griff.«
»Hoffentlich. Wenn der Kerl dir das Herz bricht, dann ist das das Letzte, was er tut.«
Ich habe meine Schuhe ausgezogen und betrachte nachdenklich meine unlackierten kleinen Zehennägel. Habe ich diese Ben-Romanze wirklich im Griff?
»Vera, ich bin kein naiver Teenager mehr. Du wirst sehen, mit Ben läuft alles wie am Schnürchen. Aber jetzt mal zu etwas Spannenderem. Gibt es was Neues über unseren Lieblingskollegen Dr. Dietrich?«,
»Oh, allerdings. Tut mir leid, dass ichâs nicht gleich erzählt habe. Ich dachte ja, hier wäre Liebeskummer-Alarm angesagt. Insgesamt scheint sich die Situation zu beruhigen. Dietrich ist Gerüchten zufolge mit seiner Frau für ein paar Tage weggefahren. AuÃerdem berichten die Arzthelferinnen der Ambulanzen hinter vorgehaltener Hand, dass Frau Dietrich möglicherweise schwanger ist.«
An dem Gerücht könnte was dran sein. Die Arzthelferinnen unserer Stadt scheinen über eine Art Geheimbund miteinander vernetzt zu sein. Sie wissen in der Regel alles. Vor allem vertrauliche Informationen verbreiten sich unter ihnen schneller als ein Buschfeuer.
»Da die Dietrichs sich jetzt anscheinend auf sich selbst konzentrieren, ist die Pinnwand also
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