Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
bei dir entschuldigen.“
„Hör auf“, unterbrach er sie.
„Nein, lass mich ausreden. Ich habe bei meiner
Wut völlig ausgeblendet, dass du zwar meinen Willen missachtet, mir aber trotzdem
ein Geschenk gemacht hast, für das es keine Wiedergutmachung gibt.“
„Es ist okay so. Ich wollte es.“
„Aber eines lasse ich mir nicht nehmen, großer
Bruder. Ich will mich von dir verabschieden, wenn es soweit ist. Und zwar
persönlich.“
„Monja, ich habe gesagt, ich komme nicht
zurück.“
„Erzähl mir von ihm. Wer ist der Kerl, der dich
deine Familie vergessen lässt?“, bohrte sie.
„Ich vergesse euch doch nicht. Würde ich sonst
anrufen?“
„Das reicht mir nicht. Jetzt lass was hören!“
„Also gut.“ Kilian pausierte. „Ich erkläre es,
so gut ich kann.“
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„Ich bin ganz Ohr“, erwiderte Monja.
In Kilians Kopf arbeitete es fieberhaft. Er
wusste, er musste schnell etwas sagen, damit sie die Lüge nicht erkannte.
„Weißt du, als ich ihn sah, da dachte ich,
dieser Mann ist umwerfend. Mir blieb die Luft weg und ich konnte ihn nur
anstarren.“ Kilian registrierte kaum, dass er damit die Wahrheit sagte. „Er
sieht gut aus, ist klug und hat eine faszinierende Ausstrahlung.“
„Wie heißt er?“, fragte Monja dazwischen.
„Äh, sein Name ist Michele.“ Ein anderer
italienischer Name wollte ihm auf Anhieb nicht einfallen.
„Und du bist so verliebt, dass du auch nicht
für ein paar Tage von ihm lassen kannst?“
„Ich weiß nicht, ob ich verliebt bin. Es ist …
kompliziert. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Da ist eine Anziehung,
gegen die ich mich nicht wehren kann. Sobald er mich berührt, ist es …“
„Das will ich gar nicht wissen!“, rief Monja
dazwischen.
Kilian schmunzelte über ihre Reaktion. Sie
hatte kein Problem damit, dass er Männer liebte. Doch hatte sie schon immer auf
Detailwissen verzichtet. Er bemerkte, dass er dazu tendierte, Wahrheit und Lüge
miteinander zu verbinden und versuchte, gegenzusteuern.
„Monja, versteh mich doch. Ich habe nur diese
wenigen Wochen und die möchte ich genießen. Das Wetter hier ist herrlich,
Michele ist so aufmerksam … die Stadt ist wunderschön und ich habe das Gefühl,
ich würde etwas verpassen, wenn ich hier weggehe.“
„Du fehlst mir“, sagte sie unvermittelt.
„Du fehlst mir doch auch. Aber ich kann nicht
an zwei Orten gleichzeitig sein. Es tut mir leid.“
Er hörte, wie Monja langsam die Luft ausstieß,
als würde sie resigniert aufgeben.
„Wann kommt Mama nach Hause?“
„Heute um sieben. Rufst du wieder an, wenn sie
da ist?“
„Ja, ich habe es versprochen.“
Ein dezentes Lachen klang durch die Leitung.
„Was ist so lustig?“, fragte er verwirrt.
„Na, im Grunde kannst du froh sein, dass du
nicht vor ihr stehst, wenn du es beichtest. Sie würde dir sicherlich eine
pfeffern.“
„Da könntest du recht haben. Ich hab dich lieb,
Monja. Vergiss das nie.“
„Wie könnte ich? Bei dem, was du für mich
geopfert hast.“
Kilian schluckte, doch der Kloß in seinem Hals
wollte nicht verschwinden …
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Danyel hätte zu gern gewusst, was sein Gast
gerade tat, während er alleine aß. Er stand in der Küche und schob sich Gabel
für Gabel in den Mund. Essen war eine Notwendigkeit, die über all die Zeit
jeglichen Reiz für ihn verloren hatte. Dennoch konnte er unmöglich darauf
verzichten. Sein Körper verbrauchte Unmengen an Nährstoffen, die er durch die
natürlichen Inhaltsstoffe gar nicht aufnehmen könnte, weshalb alles
angereichert war. Die Kraft, die der Mensch und auch
die Tiere durch Schlaf auftankten, musste er mit der Nahrung aufnehmen. Er war
mit einem unendlichen Dasein ausgestattet und musste seine Energie anders
gewinnen, als jedes Lebewesen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als er Unmengen
verzehren musste, war die heutige Zeit um einiges angenehmer. Dank moderner
Verfahren, die Lebensmittel mit zusätzlichen Vitaminen, Nährstoffen und
chemischen Verbindungen anzureichern, beschränkte sich seine Nahrungsaufnahme
auf ein Minimum.
Er kaute und schluckte mechanisch und streckte
währenddessen seine Sinne aus. Kilian war noch auf dem Gelände, das spürte er.
Kurz darauf konnte er ihn ausmachen. Kilian kam auf ihn zu.
Danyel beeilte sich mit dem Essen, denn er
hasste es, wenn ihm jemand dabei zusah. Kaum war der Teller leer und stand in
der Spüle, hörte er, wie Kilian den Stoff des Vorhangs beiseiteschob und
hindurchtrat.
Die Tür der Küche stand offen
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