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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabita Lee Spencer
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Umzügen zurückgelegt haben, eigentlich eine überschaubare Strecke, doch in mir weckt diese Zahl eine Unruhe, die ich kaum noch aushalten kann. Achtzehn Stunden. Was, wenn der Weg, den wir zu Fuß in den Bergen zurücklegen müssen, so weit ist, dass wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen? Ich reiße mich zusammen und versuche, mich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren.
    »Du musst gar nicht alles wissen«, sage ich energisch, Mums letzten Satz ignorierend, »es geht nur darum, dass du lernst, was in diesem Buch steht, und es im richtigen Moment anwendest.«
    »Ich werde nicht wissen, wann der richtige Moment ist«, unterbricht sie mich, »wie soll ich so etwas wissen, wenn ich nicht einmal weiß, warum meine eigene Mutter mir nicht vertraut hat.«
    Sie atmet einige Male ein und aus. Um sich zu beruhigen oder um sich so richtig aufzuregen, weiß ich nicht.
    »Eure Granny hat mir nie eine Chance gegeben. Ich war immer die Dumme. Die nichts wissen durfte.«
    Sie macht eine weit ausholende Geste und die Comtesse räuspert sich ungefähr zum hundertsten Mal.
    »Wir. Wussten. Auch. Nichts.«
    »Alles um sie herum war ein riesiges dunkles Geheimnis. Ständig gab es verschlossene Türen. Geflüsterte Gespräche mit Fremden. Kästchen, die sie irgendwo vergrub und dann wieder ausgrub, um sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei den Kiesgruben zu verbrennen. Manchmal wachte ich nachts auf und sie war einfach verschwunden. Und nur einer dieser riesigen Hunde lag vor meinem Bett. Ich fürchtete mich zu Tode und morgens fand ich sie in all ihren Sachen schlafend in der Küche.«
    »Sie wollte uns nur schützen.«
    »Sie war verrückt. Allein die Sache mit diesen Hunden. Ich hatte immer Angst vor ihnen. Schon als Kind hatte ich Angst vor ihnen und später auch, als ihr da wart. Ich hatte Panik, dass sie euch etwas tun, verstehst du? Richtige Panik. Aber Granny, der war das egal. Sie ließ es zu, dass ihr bei ihnen einschlieft. Ich konnte das nicht fassen, aber es war so.«
    »Ich weiß.«
    Den Teufel werde ich tun und ihr auch noch auf die Nase binden, dass es keine Hunde waren, sondern Wölfe. Und dass diese Wölfe immer noch um uns herum sind. Es würde sie völlig verstören.
    »Es war nur Zufall, dass nie etwas passiert ist.«
    Sie seufzt und setzt sich noch gerader hin, als würde ihr das mehr Sicherheit geben.
    »Ich kann mich noch erinnern, als sie diesen Welpen mit nach Hause brachte. Schneeweiß war er und so wild, er zerbiss alles, was er zwischen die Zähne bekam. Das war kein Hundewelpe. Und das Komische war, als sie ihn mitbrachte, war ich gerade mal sechs oder sieben Jahre alt. Und ich könnte schwören, sie hatte ihn noch, als ich sie zum letzten Mal sah. Das ist doch nicht normal. So alt wird kein Hund.«
    »Das alles ist vorbei. Du musst das jetzt vergessen. Bitte. Wenigstens für die nächsten Tage. Wenn das alles ausgestanden ist, hast du noch genug Zeit, darüber nachzudenken.«
    Ich versuche, sachlich zu bleiben, obwohl mir gleich der Kragen platzt, und ich bezweifle, dass achtzehn Stunden ausreichen werden, um Mum auf Spur zu bringen. Zum Glück schläft Indie. Sie wäre schon längst ausgerastet. Der Pick-up schlingert ein bisschen, weil die Comtesse zu nah an den völlig vereisten Seitenstreifen herangekommen ist. Am liebsten würde ich selbst fahren. Die Comtesse hat bestimmt schon zwanzig Jahre nicht mehr hinter dem Steuer gesessen. Wahrscheinlich besitzt sie gar keinen Führerschein. Außerdem trägt sie immer noch ihre verspiegelte Sonnenbrille. Mitten in der Nacht. Ich verkneife mir ein Seufzen und schließe die Augen.
    »Einmal kam eine unglaublich seltsame Frau nach Whistling Wing. Sie fuhr in einer schwarzen Limousine vor. Das war in dem Sommer, als ich zehn wurde. Es war wahnsinnig heiß und der ganze Wagen war mit Staub überzogen. Die Frau war alt und hager, größer als Granny und sah aus wie eine Klosterschwester. Zumindest hatte sie eine weiße Kutte an, die auch voll mit Staub war. Eine andere Frau wartete im Wagen, während Granny mit ihr sprach. Ich schwöre dir, Dawna, ich bin mir sicher, dass sie mich mitnehmen wollte. Ich schloss mich in meinem Zimmer ein. Der letzte Satz, den ich von ihr hörte, war: ›Es ist an der Zeit.‹ Ich wäre eher gestorben, als mit dieser Frau zu gehen. Jahrelang wurde ich von dem Gedanken verfolgt, dass sie wiederkommen würde und ich keine Wahl hatte und mitgehen musste. Ich träumte von ihr und von einem riesigen Gebäude auf den Klippen hoch über

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