Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
keine Hunde.
»Shantani«, flüstert Mum und für einen Moment meine ich, dass sie zu weinen beginnt, aber sie kneift die Augen zusammen. »Mädchen, es ist an der Zeit.«
Mit diesen Worten packt sie meine und Indies Hand und zieht uns von den Wölfen weg. Als hätte sie einen genauen Plan des Lagers in sich, beginnt sie zu laufen und schlägt zielsicher den Weg ein, der zu Emmas Wagen führt.
»Mir wird so viel klar«, zischt sie keuchend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann euch nicht sagen, WIE viel mir gerade im Moment klar wird.«
Indie und ich sehen uns im Laufen an, ich weiß nicht, wer es weniger fassen kann, in welcher Laune Mum jetzt ist. Kein Heulen und kein Zittern. So zielstrebig habe ich meine Mutter in den letzten siebzehn Jahren nicht erlebt.
»Er hat alles getan, um mich von meiner Bestimmung abzuhalten«, keucht sie. »Alles. Er hat mir sogar eingeredet, ich dürfte die Briefe von Granny nicht lesen, weil mich das an meiner emotionalen Entwicklung … «
Sie kann für einen Moment nicht weitersprechen, dann schlägt sie einen Haken um einen einsamen Wolf, der zum Versammlungsplatz läuft.
Grannys Briefe. In denen sie Mum vermutlich genau Anweisung gegeben hätte, was sie wann zu tun hat. Wie konnte das nur passieren?
»Er hat alles unterbunden, was mir die Augen geöffnet hätte«, stößt sie hervor.
»Verfickte Scheiße, ich kann nicht glauben, was du sagst.« Indie atmet schwer.
»Gewöhn dir eine andere Sprache an, Indiana Spencer«, sagt sie und hält an, während sie sich zwischen den Wagen orientiert.
Wir können nicht mehr weit von Emmas Wagen entfernt sein, Mum hält uns zurück, dreht sich zu uns.
»Egal, was uns bis jetzt aufgehalten hat, es wird uns nichts mehr aufhalten«, flüstert sie, hält unsere Hände fest in ihren. »Ihr müsst jetzt stark sein – ihr wisst, dass ich bei euch bin. Die Initiation ist eine Krise, ihr werdet euch als Person auflösen und neu formieren. Ihr werdet untergehen, aber ihr werdet auch wieder auftauchen. Ihr müsst keine Angst haben, denn wir sind bei euch …« Ihre Stimme wird zu einem rauen Wispern, es ist unbeschreiblich, was die Worte in mir auslösen.
»Es darf keine Blockaden geben. Nicht in euch und nicht zwischen euch. Reine weiße Energie muss in euch fließen, alter Streit und Hass muss vergeben werden, nichts darf zwischen euch stehen, meine Mädchen …«
Ihr liebevoller Blick streichelt Indie und mich, ihr Händedruck wird fester.
»Wir müssen jetzt eins sein«, sagt sie ernst. »Ihr müsst eins sein. Nichts darf eure Bestimmung trennen.« Sie forscht in unseren Gesichtern.
Ich bemerke Unsicherheit in Indies Augen und halte sie am Handgelenk fest.
»Lass uns kurz alleine, Mum«, flüstere ich und Mum nickt.
Sie dreht sich um und verschwindet wortlos in der Dunkelheit. Wir lauschen, bis wir ihre Schritte nicht mehr hören können, und ein seltsames, atemloses Gefühl macht sich in mir breit. Es ist das schlechte Gewissen, das ich wegen Miley habe.
»Indie«, ich versuche, die Verbindung zwischen uns zu spüren, »die letzten Wochen waren nicht leicht. Ich weiß, was du von mir denkst. Du denkst, dass ich feige bin, weil ich mich nicht zu Miley bekenne.«
Indie schüttelt den Kopf. Der Mond erleuchtet ihr Gesicht, lässt ihre Augen dunkel aussehen, Schatten huschen darüber wie Wolken, die über den Himmel ziehen.
»Wir haben nicht mehr richtig miteinander gesprochen, seit unserem Streit vor dem Morrison Motel. Ich war auch wütend auf dich.«
Meine Worte klingen seltsam lahm, denn in Wirklichkeit möchte ich ihr erzählen, was zwischen Miley und mir passiert ist. Und wie sehr ich ihn vermisse, seit Kalo ihn weggebracht hat. Ich möchte ihr sagen, dass ich Angst davor habe, dass mein Handeln Konsequenzen nach sich ziehen wird, die wir nicht abschätzen können und die mir auch völlig egal waren.
»Es gibt etwas, was du wissen musst … «, sage ich.
»Es gibt etwas, was du wissen musst«, unterbricht mich Indie und der Klang ihrer Stimme lässt mein Herz stolpern. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen den Wagen, hinter dem wir stehen, das rissige Holz schabt über meinen Anorak. Wieder trabt ein Wolf vorbei, er beachtet uns nicht, aber seine Augen leuchten kurz grün auf, als das Licht des Mondes hineinfällt. Ich ziehe Indie zurück, bis der Schatten des Wagens uns unsichtbar macht.
»Es ist etwas, das du mir nicht verzeihen wirst«, flüstert sie.
»Ich muss dir verzeihen.« Ich sehe Indie nicht
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