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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabita Lee Spencer
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stürzt. Aber ich habe kein schlechtes Gewissen. Das ist seltsam. Denn bis jetzt hatte ich immer eines. Ich hatte immer das Gefühl, Indie alles sagen zu müssen. Doch nun ist mein Herz leer. Die letzten Tage schleppten sich dahin. Wir sind Gefangene und Whistling Wing ist unser Gefängnis. Hier seid ihr sicher, flüstert es aus allen Ecken.
    Ich verbrachte Stunden mit Mum in der Küche. Mechanisch spielte ich Scrabble. Mum redete ausnahmsweise nicht viel und darüber war ich froh. Ab und zu sagte sie Sachen wie »Dawna, Schätzchen. Du hast wirklich Talent«. Oder: »Da hätte ich eine bessere Idee.« Und manchmal stand sie unvermittelt auf, um sich eine Tasse Tee einzuschenken. Ich konnte meine Gedanken laufen lassen. Ich konnte nicht aufhören, die Stunden zu zählen, seitdem wir Miley bei Kalo abgeliefert hatten. Oder besser: seit unserem Treffen in Grannys Badezimmer. Irgendwann setzte sich Tamara zu uns und ich hatte dieses seltsam paranoide Gefühl, Tamara könnte meine Gedanken lesen. Jedenfalls sah sie mich eine geraume Zeit ganz komisch an und dann scrabbelte sie: LIEBE. FINDET. WEG.
    Ich wäre am liebsten aufgestanden und in mein Zimmer gegangen. Auf solche Prophezeiungen konnte ich verzichten. Stattdessen blieb ich wie versteinert sitzen.
    WOLF, scrabbelte ich und dachte an Dusk.
    Wo bist du?, dachte ich und legte die Steinchen aneinander. Du musst hierherkommen und mit mir reden.
    Aber was hatte ich erwartet? Dass Dusk höflich an die Tür klopfte, um mit mir einen Kaffee zu trinken und über diese eine Person zu quatschen? Jetzt gehe ich in unser Zimmer. Ich ziehe eine dunkle Jeans und einen Rollkragenpullover an. Binde mein Haar zu einem straffen Pferdeschwanz. So straff, dass es wehtut. Seitdem wir Sam entbannt haben, sind zehn Tage vergangen. Zehn Tage wertvolle Zeit. Zehn Tage, in der wir unserer Initiation keinen Schritt näher gekommen sind. Und das werden wir auch nicht, wenn wir uns hier verkriechen. Indie sich an die Entschlüsselung dieser seltsamen Papiere klammert und ich im Haus umherhirre und aus jedem Fenster blicke. Mit Miley im Herzen und in der Hoffnung, Dusk würde auftauchen und uns helfen. Wäre er nicht längst hier, wenn er noch leben würde? Dieser Gedanke lässt mein Herz schneller schlagen. Was, wenn er tot ist und wenn er sein Wissen um diese eine Person mit in den Tod genommen hat?
    Ich schlüpfe in meine Stiefel, in Mileys Lederjacke, die ich immer noch nicht zurückgegeben habe, und stopfe mir Handschuhe in die Jackentaschen. Als ich von draußen ein Geräusch höre, halte ich den Atem an und hoffe, dass es nicht Indie ist, die gemerkt hat, dass ich wegwill … Doch niemand öffnet unsere Zimmertür.
    Hagazussa, zähle ich auf, was zur Initiation nötig ist. Die Tiegelchen, die zwischen unserer Unterwäsche versteckt sind. Den Namen, der Person, die uns zeichnen kann.
    Und das Messer. Das Messer, das Ferris mir geben wollte und weswegen sie ihr Leben lassen musste. Das Messer, von dem wir nicht wissen, wer es hat.
    Ich kann nicht sagen, ob mich jemand beobachtet, als ich zu unserem Pick-up gehe und mich hineinsetze. Kat und Miss Anderson verbringen die meiste Zeit auf ihren Zimmern und von diesen Zimmern aus können sie nicht auf den Hof blicken. Ich glaube, alle sind froh, dass sie sich so einigeln. Und mittlerweile ist es mir sogar lieber. So habe ich sie im Blick. Die ganzen zehn Tage haben sie sich nicht von Whistling Wing wegbewegt. Der Schnee auf dem Ford Bronco ist unberührt.
    Die Scheibenwischer sind angefroren. Sidney fährt gerade weg. Ich sehe nur noch die Rücklichter ihres Navaras verschwinden. Wird aber auch mal Zeit. Schließlich kann sie nicht immer bei uns rumhängen. Die anderen Frauen verbringen Stunden mit Meditieren und Räuchern. Unser ganzes Haus riecht nach Beifuß. Und komischerweise beruhigt es mich irgendwie. Vor ein paar Tagen habe ich Mum eine unsichtbare Linie über unsere Türschwelle ziehen sehen. Ihre Worte konnte ich nicht verstehen, aber es hörte sich wie ein Gebet an.
    »Was tust du da?«, habe ich sie gefragt.
    Ich stand drinnen, hinter dem Fliegengitter, und sie zuckte mit den Schultern.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Schatz«, sagte sie unbestimmt, »sicher ist sicher …«
    In mir macht sich eine seltsame Ruhe breit. Zum ersten Mal seit dem Sommer, seit wir Whistling Wing betreten haben, weiß ich genau, was zu tun ist. Ich muss konzentriert sein. Auf das eine. Auf die Initiation. Mein Herz schlägt und rebelliert, doch ich

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