Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
zu drosseln.
»Er hält sich nicht an die Regeln. Von Anfang an nicht. Die anderen scheinen in Schichten zu arbeiten, wobei mir die genauen Zeiten der Schichtwechsel noch unklar sind. Sie scheinen mir unregelmäßig. Die einen halten sich in den unteren Räumen auf, um zu ruhen …«
Mir war nicht klar, dass sie überhaupt ruhen müssen. Wenn ich an Tara denke, Tara, die nie schläft, läuft mir ein Schauer über den Rücken.
»… die anderen sind in den oberen Räumen, wo sich auch Sam und Lilli-Thi aufhalten. Meistens zumindest.«
»Wo ist Mum?«
»Ich weiß es nicht. Ich vermute, auf der Rückseite. Nicht im selben Zimmer wie Sam. Sie schotten sie ab. Sie wollen keinen Kontakt zwischen den Engeln und ihr.«
»Deswegen ist auch immer nur Jophiel in ihrem Raum«, sage ich mehr zu mir selbst.
Dusk hebt das Fernglas wieder an seine Augen und ich setze mich neben ihn auf meine Fersen. Das Morrison Motel liegt drohend vor uns. Zwischen dem Haus und dem Motel befinden sich der Parkplatz und einige Meter unbebautes Gebiet, in dem Leute ihre Schrottautos zurückgelassen haben. Auf der anderen Seite, hinter uns, liegt die Tanke.
»Es ist schwierig. Es gibt keine Lücke. Immer sind genügend Dunkle im Motel.«
»Was willst du mir damit sagen?«
»Dass es nahezu unmöglich ist, Vic da rauszuholen. Vor allem, wenn wir noch lange warten. Heute sind siebzehn Neue angekommen.«
Mein Herz macht ein paar unregelmäßige Schläge. Klar kommen jeden Tag Neue an. Der Tag ist nah. Zu nah.
»Sie landen auf dem Dach und verwandeln sich. Danach gliedern sie sich in die verschiedenen Truppen ein. Wir können Vic nur rausholen, wenn nicht alle Engel im Motel sind.«
»Das bedeutet, dass wir sie irgendwie vom Motel weglocken müssen«, überlege ich laut. Wieder reicht mir Dusk das Fernglas, in die Gruppe vor dem Motel ist Bewegung gekommen. Lilli-Thi steigt gerade von ihrem Motorrad und scheint Rag und seine Engel zurechtzuweisen. Sie und Rag stehen sich gegenüber, Lilli-Thi deutet auf das Motel, anscheinend eine Aufforderung für die Gruppe, nach drinnen zu gehen. Rag gibt Lilli-Thi einen Stoß. Ich halte die Luft an und warte darauf, dass Lilli-Thi austickt, doch diese tritt nur einen Schritt zurück.
»Was schlägst du vor?« Von unten hört man das Geräusch eines Fernsehers, das gewollt fröhliche Lachen, das Sitcoms begleitet. Ich will aufstehen, doch Dusk hält mich am Handgelenk fest, er zieht mich zu sich.
»Wie geht es dir, Dawna?«, fragt er und ich weiß genau, was er meint. Er meint den leeren Platz der Zigeuner, das niedergetretene Gras, das sich nun langsam wieder aufrichtet, als wären sie nie hier gewesen. Doch ich will ihm nicht antworten.
»Ich mache mir Sorgen um Mum«, weiche ich ihm aus und Dusk lächelt.
»Du kannst nicht lügen, Prinzessin, das schätze ich an dir. Die Wölfe sind auch ehrlich. Die meisten zumindest.«
Ich seufze und lasse zu, dass er mich auf seinen Schoß zieht. Das Fernglas gleitet aus seiner Hand, ich lege meinen Kopf an seine Schulter und weiß, dass seine Erinnerung auch die meine ist. Eine Begegnung in den Wäldern von Whistling Wing, er war vor mir geflohen, doch dann war er zurückgekehrt, er hatte Grannys Bitte erfüllt und mich beschützt. Mein ganzes Leben, seit ich meine Kinderhand nach ihm ausstreckte und er zuließ, dass ich ihn berührte.
»Mir kannst du vertrauen«, flüstert er an mein Ohr, «ich werde dich nie verlassen. Wölfe binden sich ein Leben lang.«
Seine Lippen suchen meinen Mund und ich schmiege mich an ihn. Er küsst mich lange und zärtlich und die Enttäuschung, die mein Herz wie eine Klammer umschlossen hielt, zerfließt unter seiner Berührung.
»Wirst du heute Nacht bei mir bleiben?«, flüstert er.
Der laue Nachtwind streicht über uns, er trägt die Stimmen der Engel, ihre rastlose Unruhe und Lilli-This Zorn. Ich küsse seine rauen Wolfslippen und nicke.
23
Indie
D ie Hitze flimmert über der Koppel und auch meine Gedanken sirren, fließen von der Gegenwart in die Vergangenheit und stoppen abrupt, wenn sie in die Zukunft sehen wollen. Die Pferde stehen unter den Bäumen und haben die Köpfe hochgereckt, alle in dieselbe Richtung, als hätten sie etwas gehört. Ich kann nichts hören, stütze mich mit beiden Armen auf dem Koppelgatter ab. Die Pferdeköpfe bewegen sich synchron in meine Richtung, erst danach nehme ich hinter mir Schritte wahr.
»Indie«, sagt Kat neben mir. Sie sieht müde aus, sie ist ganz atypisch in blauer Jeans und
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