Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Seitenstraße zu stehen, der Fahrer wartet auf etwas. Und was zur Hölle macht Diego? Was bin ich nur für eine blöde Kuh. Dass sie mich nicht umbringen, heißt ja noch lange nicht, dass sie mich nicht jetzt schon mal entführen, an einen sicheren Platz, wo ich dann monatelang auf meinen Tod warten kann. Mein Herz verkrampft sich, schlägt so unregelmäßig, dass es in meinem Kopf zu sausen beginnt. Ich balle beide Hände zu Fäusten, weiche Diegos Blick nicht aus.
Diegos Augen gleiten von meinem Gesicht zu meinen geballten Fäusten und wieder zurück.
Ein weiterer eisiger Lufthauch wirbelt das Zahlenblatt ein Stückchen nach rechts, es schlittert über die Holzplanken, wird ein wenig angehoben und rutscht schließlich zwischen den Brettern hindurch nach unten.
Unerreichbar.
Das Motorrad gibt plötzlich Gas. Ich sehe es nicht, denn meine Augen sind an Diegos Augen festgesaugt. Das Motorengeräusch entfernt sich von uns. So, als würde es die Hauptstraße entlang beschleunigen, viel schneller, als es erlaubt ist, und verschwinden. Verschwinden aus New Corbie.
Diegos Blick bleibt freundlich.
»Der Laden ist noch nicht eingerichtet«, sagt er plötzlich, als hätten wir uns die ganze Zeit nett unterhalten. »Aber der Ofen funktioniert immerhin, seit der Kaminkehrer da war.« Er zwinkert mir zu. Seine Augen sind so seltsam vertraut. Ich sehe die Sprenkel in seiner Iris, die mich an etwas erinnern. Etwas, an das ich mich gerne erinnere. Etwas, das so vertrauenseinflößend ist, so warm. Als wäre er jemand, den ich schon immer gekannt habe. Der immer an meiner Seite war.
»Wenn du dich aufwärmen willst. Indie.«
Und ein paar Snickers, vielleicht?, denke ich wütend. Weißt du, verarschen kann ich mich ganz alleine.
»Danke«, sage ich tonlos. »Aber ich geh dann mal wieder.«
Er tritt einen Schritt zur Seite und nickt mir zu. Als wäre es ganz normal, dass ich auf seiner Veranda in seinen Schachteln wühle. Als müsste er mich nicht fragen, wonach ich suche. Und als wüsste er ganz genau, dass ich wiederkomme.
Meine Schritte klingen laut auf der Holztreppe.
7
Dawna
W as ich wirklich nicht fassen kann, nach dieser hirnrissigen Aktion vor Rosells Laden, ist, dass Indie zum Morrison Motel abbiegt. Sie hat den Navara die Straße Richtung Friedhof hinunterschießen lassen und ist dann, ohne vom Gas zu gehen, auf den Schotterplatz vor dem Motel abgebogen. Auf der hinteren Seite, neben dem Swimmingpool, steht ein Truck, sonst ist der Parkplatz leer. Und schon von Weitem kann ich auf der Vorderseite die Motorräder stehen sehen. Nicht irgendwelche Motorräder. Nein. Es sind sieben Dukes. Schön nebeneinander, vor der gläsernen Eingangstür des Morrison Motel aufgereiht. Über alle sieben Motorräder hat sich eine Schicht Schnee gelegt. Nur über eines nicht. Rags Motorrad. Natürlich nicht. Vermutlich ist er auch ständig damit unterwegs, um jeden unserer Schritte zu überwachen. Indie hat die Dukes auch gesehen. Da bin ich hundertprozentig sicher. Und wahrscheinlich fährt sie deswegen genau dorthin. Weil sie Gabe treffen will. In meinem Bauch braut sich ein heißer Klumpen Wut zusammen. Schlimm genug, dass sie glaubt, mich verarschen zu können, und alleine nach New Corbie abhaut. Nein. Sie will auch noch Gabe treffen. Als wäre Gabe ein stinknormaler Typ, den man eben mal vor dem Club trifft.
Indie lässt den Navara über den Schotter vor den Club holpern und bremst vor den Maschinen. Ich halte genau hinter ihr.
»Sag mal, geht’s noch?!«, brülle ich sie an, nachdem ich die Fahrertür aufgerissen habe.
Ich muss brüllen, weil in ohrenbetäubender Lautstärke Enya läuft. Indie zuckt zusammen. Sie war anscheinend immer noch mit der Anlage beschäftigt.
»Fuck!«, schreit Indie zurück. »Willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme!?«
Sie springt aus dem Wagen und schlägt einfach die Tür zu. Jetzt hören wir die Musik nur noch gedämpft, die Musik und das Knacksen des Motors von Rags Duke. Er muss sie erst vor wenigen Minuten hier geparkt haben, und wenn ich nur daran denke, wird mir übel. Sie beobachten uns, denke ich, sie wissen alles. Wo wir sind. Was wir denken. Wann wir schlafen und wann wir wachen.
»Wieso fährst du mir hinterher?«, zischt mich Indie an, »warum bleibst du nicht zu Hause, wie wir es abgemacht haben?«
»Wie wir es abgemacht haben?« Ich bin kurz davor, ihr eine runterzuhauen. »Wir hatten abgemacht, DU bleibst zu Hause. Was soll das? Bist du lebensmüde? Willst du dich
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