Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
gedrückt hält, lässt bei mir alle Sicherungen durchbrennen.
»Lass Mum los!« Die Waffe erhitzt sich in meiner Hand, während Sams Lächeln immer breiter wird.
»Meine Töchter. Mutig. Entschlossen. Bis zuletzt. Das lob ich mir.«
»Lass sie los«, wiederhole ich und sehe Sam direkt in die Augen. Sie scheinen mich zu schlucken. Mich in die Unendlichkeit zu saugen. Es ist unmöglich, ihnen lange standzuhalten.
»Die ewige Vater-Tochter-Problematik. Und ich dachte, wir hätten das hinter uns.« Meine Waffe an seiner Stirn beunruhigt ihn nicht.
»Schätzchen. Ich bin ein Dämon. Ich will dich nicht langweilen, aber es wäre sehr unklug, meinen Körper zu töten. Aber tu es. Nur zu. Tu es.« In seinem Gesicht glimmt ein seltsamer Ausdruck, wachsam und gleichzeitig entspannt, er will, dass ich ihn töte, denn dann ist er nur noch Dämon, ungezügelt, ohne jede Begrenzung. Mein Herz schlägt hart gegen meine Brust und ich spüre, dass ich meinen aufgestauten Hass nicht mehr lange bremsen kann. Die Wölfe haben einen engen Ring um uns gebildet, sie haben es geschafft, sich mit mir in ihrer Mitte einen Weg durch die Dunklen zu bahnen und ein schlanker schwarzer Wolf weicht nicht mehr von meiner Seite. Ich spüre seine Flanken an meinem Bein, eine Berührung, die mich ruhiger macht und meine Gedanken ordnet.
»Dieses eine Mal würde ich ihm glauben, Dawna«, höre ich Indies Stimme hinter mir, »Daddy ist immer für eine Überraschung gut. Nicht nur, dass er uns, ohne mit der Wimper zu zucken, opfern würde …«
»Opfern!« Wieder lacht Sam. »Wir arbeiten doch alle zusammen. Wir werden uns vereinen und etwas Größeres erschaffen!«
»… nein, nicht nur das«, fährt Indie ungerührt fort, »er hat auch Azrael getötet und uns alle in seinem Namen getäuscht.«
Über uns zieht ein einziger Vogel seine Kreise. Ich weiß, wer es ist. Es ist Lilli-Thi.
»Du hast Azrael getötet und Lilli-Thi dazu gezwungen, seine Arbeit zu tun«, sage ich und verstärke meinen Druck auf Sams Stirn, doch er weicht nicht zurück. Noch immer hält er Mum fest an sich gedrückt und ich wage es nicht, sie anzusehen.
»Ich habe Lilli-Thi gemacht. Ich habe ihr ihre Schönheit eingehaucht, ihren Willen, ihre Bosheit. Frauen können so langweilig sein, Lilli-Thi hat nur von mir profitiert. Sie war mir einen Gefallen schuldig. Einen großen Gefallen. Buch über die Geborenen und die Toten zu führen, war nur ein kleiner Ausgleich für das, was ich ihr geschenkt habe.«
»Sie hat in deinem Namen getötet.«
»Was ich ihr gab, war unbezahlbar. Sie bekam von mir ihre Freiheit.«
»Lilli-Thi ist nie frei gewesen«, flüstere ich, »sie ist die Dienerin.«
»Wir halten uns mit Nebensächlichkeiten auf und die Zeit wird knapp.« Er klatscht in die Hände und Bewegung kommt in die Engel, sie formieren sich neu, als wäre alles genau einstudiert, um es nun hier abzuspulen.
Ich versuche, hinter seine Fassade zu blicken, hinter das Bild, das er uns seit letztem Sommer vorgaukelt, und je genauer ich hinsehe, desto mehr greift das Grauen nach mir. Ich sehe ihn in Taras Augen und in Shantani. Ich begegne ihm wieder, unter dem Himbeerbaum, als er von mir Besitz ergreifen wollte. Seine Macht ist grenzenlos. Er kann in jedem kleinsten Ding sein und er kann sich über die Welt ausbreiten, wie eine Überschwemmung, die alles Leben mit sich reißt.
»Ihr sollt wissen, dass ich euch von Herzen liebe. Ihr gebt mir das wieder, was ich in Semuliki zurücklassen musste. Die Entscheidung damals war schwer, doch ich wusste, es konnte anders nicht gelingen. Die Tore waren zu gut geschützt, die Hüterinnen zu einer fast unbesiegbaren Dynastie herangewachsen. Aber nur fast. Ich bahnte mir den Weg durch eine der Hüterinnen und zerriss das Band zu jenem Teil, der zurückblieb, das war der Preis dafür, dass ich auf die Erde konnte … aber gut, ich will euch nicht langweilen: Heute werde ich mir diesen Teil zurückholen.«
Blitzschnell verdunkeln sich seine Augen und ich ahne den Angriff, bevor mich sein geballter Hass trifft, stärker als das, was mich bei der Prüfung mit Haynalka zerstören wollte, viel stärker, doch ich bin vorbereitet. Meine Hände zittern nicht, in diesem Moment bin ich nichts als Sams Spiegel und alles Böse, was er mir entgegenschleudert, prallt an mir ab und trifft ihn umso härter. Von der Wucht seines Angriffes wird er zurückgeschleudert, doch schnell fängt er sich wieder, ich entsichere die Pumpgun und lege erneut auf ihn
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