Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
interessiert.
«Das Zeichen der Propheten», erklärte ihr Ephrion mit wichtiger Stimme. «Mutter trägt auch eines. Es ist der Beweis ihrer Berufung.»
«Ist das nicht gefährlich?», überlegte Sihana und gab Hubertus die Laterne zurück. «Ich meine, soweit ich das begriffen habe, hält Drakar die Propheten für Hexen. Wenn also jemand dieses Symbol trägt, kann ihn das sein Leben kosten. Warum würde sich jemand freiwillig diesem Risiko aussetzen?»
«Das Brandmal trägt nur, wer dem Ruf folgt und geht
und für unsern König im Feuer besteht.»
«Genug gereimt», mischte sich Joash knurrend ein, «wie ist das jetzt mit dem Boot?»
«Zwei goldene Münzen, und bar auf die Hand,
sonst geb ich mein Boot nicht, und ihr bleibt an Land.»
«Das ist doch wohl das Letzte, ey!», zeterte Joash und ballte seine Fäuste. Er war kurz davor, sich auf Hubertus zu stürzen, hätte Aliyah nicht in diesem Moment eingelenkt:
«Also gut. Wenn Ihr darauf besteht, dann bezahlen wir Euch eben zwei Münzen.» Joash wollte sie zurückhalten, doch sie hatte bereits ihren Geldbeutel geöffnet und mit ihren schlanken Fingern hineingegriffen. Der Bursche erstarrte. Er fixierte den kleinen Lederbeutel, als würde sein Leben davon abhängen, während er die Hand unauffällig an seine Hosentasche legte. Nayati wandte sich ihm zu und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
«Das gibt’s doch nicht», murmelte Aliyah und runzelte die Stirn. «Ein Goldstück fehlt.»
«Was?!», riefen Miro und Ephrion gleichzeitig aus.
Joash sagte nichts und versuchte stattdessen, aus Nayatis Blickfeld zu gehen. Aber Nayatis Augen klebten wie ein Magnet an ihm, als wüsste er genau, welches Geheimnis Joash hütete.
«Es ist nur eine Münze da», stellte Aliyah verzweifelt fest, während sie den Inhalt in ihre Hand leerte und den Beutel mehrmals schüttelte.
«Vielleicht hat dieser Schleimer in Bellkje die andere gestohlen», meinte Joash in der leisen Hoffnung, sie hätte den Beutel seither nicht mehr überprüft. Aber natürlich hatte sie das.
«Noch gestern Abend hatte ich beide Münzen. Da bin ich mir sicher.»
«Vielleicht ist dir eine rausgefallen?», überlegte Ephrion.
Aliyah schüttelte den Kopf. «Nein, das glaube ich nicht. Ich … kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie das passieren konnte. Ehrlich nicht.» Sie seufzte niedergeschlagen. «Wie sollen wir jetzt das Boot bezahlen?»
Ja, das war die große Frage. Joashs Hand ruhte noch immer auf seiner Hosentasche, und er spürte die Münzen durch den Stoff hindurch. Doch er schwieg und starrte einfach nur dumpf vor sich hin. Nayati ließ ihn nicht aus den Augen, aber außer Joash schien das niemand zu bemerken. Es war Miro, der ihnen schließlich aus der Patsche half. Er bat Aliyah, ihm das Goldstück zu geben, dann legte er seinen goldenen Ohrring dazu und streckte Hubertus die Münze und den Ring entgegen.
«Hier. Nehmt. Das muss Euch genügen. Mehr haben wir nicht.»
Der dicke Mann nahm das Gold und steckte es in die Tasche. Joash atmete innerlich auf. Das war gerade noch mal gutgegangen. Hubertus hängte die Kerzenlaterne an eine Vorrichtung, eine leicht gebogene Stange im Heck des Bootes, und nickte den Jugendlichen zu.
«Das Boot ist nun euer, doch gebet gut Acht,
der Sumpf hat schon vielen den Tod nur gebracht.»
Mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen und begab sich gemächlich zu seinem Esel, der in der Zwischenzeit aufgehört hatte zu fressen und geduldig neben dem Boot wartete.
«Was hast du ihm gegeben?», fragte Aliyah Miro, als Hubertus sich entfernt hatte.
«Meinen goldenen Ohrring», antwortete ihr Miro.
Aliyah machte ein ziemlich überraschtes Gesicht, aber Miro meinte bloß: «Zu Hause hab ich ein Dutzend davon.»
Hubertus wälzte seinen dicken Körper mit Müh und Not auf sein Reittier, dann hob er die Hand zum Gruß und verbeugte sich leicht.
«Ich werde jetzt gehen und lass euch allein.
So möge der Friede denn mit euch sein.»
«Wartet, Hubertus», sagte Ephrion, als der Mann schon im Begriff war davonzureiten, und hustete mit vorgehaltener Hand. «Diese … Bestie. Wo genau lebt sie eigentlich? Ich meine, nur damit wir ungefähr wissen, worauf wir uns da einlassen.»
Die Antwort von Hubertus war nicht gerade ermutigend.
«Sie wandert umher, findet niemals zur Ruh,
bevor ihr euch umdreht, da schlägt sie schon zu.»
Ephrion lächelte gequält. Das sind ja großartige Aussichten, dachte er.
«Aber wie können wir sie dann
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