Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
besiegen?», fragte Aliyah.
Wieder antwortete Hubertus in Reimen, und diesmal war seine Antwort ziemlich rätselhaft.
«Eldora ist hungrig und gierig nach Blut,
wollt ihr sie besiegen, so seid auf der Hut.
Getarnt als die kostbarsten Steine der Welt,
betörten die Augen schon manch einen Held.
Das, was sie begehrten, wurd ihnen zum Sarg,
obwohl das Begehrte den Sieg in sich barg.
Doch wer es versteht, ihre Waffe zu drehn,
nur der kann dem Kreislauf des Todes entgehn.
Und sieht sie dem tödlichsten Feind ins Gesicht,
zerfällt ihre Macht, und der Zauber zerbricht.
Drum lasst euch nicht blenden, sonst trifft euch der Fluch,
auf ewig verloren ist dann auch – das Buch.»
Er machte erneut eine kleine Verbeugung, dann schnalzte er mit der Zunge, und das Tier setzte sich schwerfällig in Bewegung.
«Moment!», rief Miro und lief neben ihm und dem Esel her. «Wenn wir den zweiten Teil des Buches der Prophetie haben, wo finden wir dann den dritten Teil?»
«Ihr rudert nach Norden, folgt immer dem Licht,
dort trefft ihr die Frau mit dem Tränengesicht,
sie weint, denn sie weiß um den Tag des Gerichts
und sammelt den Kummer in Tränen des Lichts.»
Tränen des Lichts. Bei diesen Worten kriegte Ephrion ganz heiße Ohren. Auch Miro musste automatisch an die Worte denken, die ihnen Aliyah aus dem Buch der Prophetie vorgelesen hatte, und Aliyah kribbelte es bis in die Zehenspitzen. Der seltsame Poet und sein Esel verschwanden unterdessen im Nebel, und die Jugendlichen blieben mit tausend neuen Fragen und einem flauen Gefühl im Magen zurück.
«Na, dann wollen wir mal», sagte Miro schließlich, und mit einem flüchtigen Blick auf Sihana fügte er heldenhaft hinzu: «Schnappen wir uns die Bestie!»
Sie warfen ihr Gepäck ins Boot und schoben es mit vereinten Kräften ins dunkle Wasser.
Nayati sprang leichtfüßig ins Heck, während Joash den hinteren Teil des Bootes mit einer Hand festhielt, damit die andern einsteigen konnten. Miro kletterte zuerst hinein und half den beiden Mädchen beim Einsteigen. Ephrion brachte die Nussschale gefährlich zum Schaukeln, als er über die Rückbank stieg. Joash schwang sich als Letzter ins Boot, nahm eines der Ruder und stieß sich kräftig vom Ufer ab. Ephrion berührte von hinten seinen Arm. Joash drehte sich um. Der blonde Junge sah ihn seltsam beunruhigt an.
«Ich kann es sehen», sagte er leise.
Joashs Puls begann augenblicklich zu rasen. Hat er mich etwa beobachtet, als ich die Münze geklaut hab?, schoss es ihm durch den Kopf. Ich dachte, er hätte geschlafen. Woher weiß er davon? Sein Nasenring tanzte auf und nieder, während er Ephrion drohend anstarrte.
«Wenn du den andern auch nur ein Wort davon sagst, wird es dir leidtun», knirschte er aus dem Mundwinkel. Dann schüttelte er den etwas verdutzt dreinblickenden Jungen von sich ab und begann zu paddeln.
35
Katara entdeckte den Mann auf dem Esel als Erste.
«Da vorne!», rief sie und zog ihr Schwert aus der Scheide.
Schneller, als Hubertus fähig war, sein Reittier herumzureißen, hatte der Soldatentrupp ihn umringt. Mangol ritt mit seinem Pferd aus der Gruppe heraus und musterte den Fremden argwöhnisch. «Wer seid Ihr? Was treibt Ihr Euch hier herum?»
Hubertus sah Mangol mit unschuldiger Miene an und erklärte:
«Ich fürchte, ich hab mich verirrt, edle Herrn,
den Weg in die Stadt zurück wüsste ich gern.»
«Er lügt», schnarrte Goran und nickte Mangol bedeutungsvoll zu. «Bringt ihn zum Reden.»
Mangol streckte sein Kinn vor und durchbohrte Hubertus mit seinen kleinen stechenden Augen. «Wo sind sie?»
Hubertus stellte sich noch immer dumm.
«Hab keinen getroffen, ist niemand bei mir,
reis immer alleine, nur ich und mein Tier.»
«Er will Zeit schinden», schnaubte Goran ungeduldig. «Die haben wir nicht. Sie dürfen uns nicht entkommen!»
Mangol gab zwei Soldaten einen Wink mit der Hand, worauf diese mit gezückten Schwertern von ihren Pferden sprangen, Hubertus kurzerhand vom Esel rissen und ihm grob die Arme auf den Rücken drehten. Sie durchsuchten ihn und fanden die Goldmünze und den goldenen Ohrring in seiner Tasche. Mangols Mundwinkel verzogen sich zu einem ahnungsvollen Lächeln. Obwohl er nicht danach gefragt wurde, brabbelte Hubertus eine Erklärung hervor, in der Hoffnung, er könne sich noch irgendwie aus dieser vertrackten Situation herausreden.
« Mein Herr, seht, ich bin nur ein einfacher Mann,
hab nichts zu verbergen, nichts Böses getan .»
«Mangol!», rief Goran
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