dark destiny
hier, oder?«
»Ja. Und ich bleibe.«
Die Worte waren wie Steine. Sie waren schwer und sperrig aufgrund der Verantwortung, die ihnen innewohnte, und konnten verletzen und zerstören, und man konnte mit ihnen arbeiten ... vielleicht sogar etwas bauen. Ein Zuhause, wenn man sich wirklich geschickt anstellte.
Joy rückte ein kleines Stück von ihm ab und blickte ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. In der Dunkelheit konnte sie vermutlich nur erahnen, wie er inzwischen aussah. Sie nahm ihre Finger zu Hilfe und tastete über seine vernarbten Wangen. An der Oberfläche seiner Haut spürte er kaum etwas, aber darunter kribbelte es.
»Du siehst aus wie Graves.«
Das Kitzeln an seiner Wange ließ ihn grinsen. »Na toll. Vielen Dank auch.«
»Dummer Kerl«, entgegnete sie lachend. »Ich bin doch nur erstaunt, wie schnell es verheilt ist.«
Es hatte lang genug gedauert, jeder Tag war zu viel gewesen, aber das behielt er für sich. Stattdessen musterte er sie. »Und du bist dünn geworden.«
»Der Winter ist hart.«
»Ja, das habe ich mitbekommen. Aber es sieht so aus, als kämst du zurecht.«
In Joys Augen blitzte es. »Du kennst mich. Ich schlag mich durch.«
Neel entdeckte die Marke, die sie um den Hals trug, und betastete sie. »Wie kommt es, dass du umgedacht hast? Im letzten Jahr war es doch noch undenkbar für dich, in der Stadt zu leben.«
Etwas von der Leichtigkeit in ihrem Lächeln ging verloren, doch Joy wirkte nicht weniger glücklich als vorher. »Ich habe gemerkt, dass ich bei den Rebellen nicht mehr leben kann. Also bin ich gegangen, um Antworten auf meine Fragen zu finden. Und ich habe noch mehr gefunden: weitere Menschen, die anders leben, die ganz eigenen Wegen folgen, Wege, die ich zuvor für undenkbar hielt. Vielleicht gibt es ja auch einen Weg, der für mich richtig ist. Um ehrlich zu sein ... ich bin mir noch nicht ganz sicher. Aber wenn du in der Nähe bist, dann ... fällt es mir etwas leichter, daran zu glauben.«
»Es gibt andere Orte, an denen man leben kann.« Vor Neels innerem Auge erschien das Schiff, von dem Cloud gesprochen hatte.
Joy blickte zum Himmel, über den graue Wolken trieben wie Wellen im Meer. »Kein Mond. Und keine Sterne. Weißt du noch, was du damals zu mir gesagt hast?« Sie wies zu dem Schild über dem Eingang der Bar, dem blauen Vollmond, der bis vor Kurzem noch beleuchtet gewesen war. Inzwischen war die Lampe kaputt, doch man konnte das Schild trotz der Dunkelheit immer noch gut erkennen.
Neel musste sich eingestehen, dass er nicht wusste, worauf Joy anspielte.
»Du hast einmal gesagt, wir würden uns im Mondlicht wiedersehen. Aber heute sieht man keinen Mond.«
»Verdammt. Du hast recht. Was bedeutet das? Dass wir es morgen noch mal versuchen müssen?«
Hinter ihnen flog die Tür der Bar so schnell auf, dass sie gegen die Hauswand schlug.
»Joy!«, brüllte der Wirt.
Joy zuckte zusammen und Neel zog sie reflexartig näher an sich.
»Kurze Pause, hast du gesagt. Was treibst du da?«
»Ach du Scheiße«, flüstere Joy und kicherte. »Ich muss wieder rein, es sind noch ein paar Gäste da.«
»Ich warte auf dich. So lange es nötig ist.«
»Hier?« Sie fuhr mit den Händen in seinen Nacken. »Das ist viel zu kalt. Vielleicht kommst du einfach mit rein?«
»Joy! Ich bezahle dich doch nicht fürs Rumlungern. Verfluchtes Weibsbild, schwing deinen dürren Arsch hier rein!«
»Das dürfte ihm nicht gefallen«, meinte Neel, aber Joy gab nur ein »Ach!« von sich und zog ihn an der Hand hinter sich her.
Der Wirt zog kritisch die Brauen zusammen, als er Neel erkannte. »Wollten wir nicht gleich zumachen?«, wandte er sich an Joy, die in ihre Hände hauchte.
Es war typisch: Kaum arbeitete sie in dieser Bar, bat der Wirt sie um ihre Meinung. Neel erinnerte sich, wie schwer er sich damals getan hatte, ihr Befehle zu erteilen. Es war ihm nur gelungen, weil man es von ihm verlangte. Erwartete. Wieder diese Erwartungen, die ihn zu Dingen getrieben hatten, die er niemals tun wollte.
Neel seufzte, trat, ohne den Wirt zu beachten, in die Bar und ließ sich wieder auf den Platz fallen, den er vorhin so fluchtartig verlassen hatte.
Joy zwinkerte ihm zu und eilte los, um die anderen Gäste zu bewirten. Und während er sie beobachtete, wie sie schwungvoll Krüge auf die Tische knallte und die Münzen zählte, kamen seine Zweifel zurück. Er hatte ihr nichts zu bieten - er besaß für die Nacht nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Das warme Gefühl in seinem Bauch
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