dark destiny
wurde nach und nach wieder kälter und unbehaglicher. Als hätte Joy es geahnt, brachte sie ihm eine Schale Suppe. Es war kaum mehr als eine dünne Brühe, in der klein gehackte Rüben schwammen, aber sie war heiß und wärmte, wenn auch nicht sein Inneres, dann wenigstens seine Hände.
Welche Erwartungen hatte Joy an ihn?
Was auch immer sie sich vorstellte - er würde sie enttäuschen. Seit heute war er ein Niemand, auch wenn man es ihm noch nicht ansah, denn er hatte sich das Haar allen Konventionen zum Trotz noch nicht kurz geschnitten. Ein militärischer Niemand, aber auch ein Niemand ohne Arbeit, ohne Wohnung, ja, selbst ohne ein paar Schuhe zum Wechseln oder ein zweites Hemd. In seiner Hosentasche befanden sich weniger Münzen, als er Finger an den Händen hatte - das reichte für zwei oder drei warme Mahlzeiten. Dann würde er nicht besser dastehen als die Menschenmänner, die sich zum Betteln an den Straßenrand hockten. Wobei die ihm eines voraushatten: Sie besaßen Bittlizenzen - Marken, die ihnen das Betteln erlaubten.
Obwohl sich die Nacht längst gen Morgen neigte, leuchteten Joys Augen immer heller, wann immer ihr Blick zu ihm herüberflog. Ihre Erschöpfung mischte sich mit Freude. Und Erwartungen. Neel konnte förmlich spüren, wie sie sich ausmalte, dass er sie mit zu sich nach Hause nahm, in ein sicheres Haus, in ein warmes Bett, in eine gut gefüllte Küche.
Er griff nach ihrer Hand, als sie wieder einmal vorbeihuschte. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«
»Einen Moment? Lass mich nachdenken. Einen lebenslangen Moment könnte ich dir anbieten.« Sie lachte, wie er nie einen Menschen hatte lachen sehen. Mit vor Müdigkeit ganz glasigen Augen, tiefen Ringen darunter und glühenden Wangen auf ungesund blasser Haut. In ihrem Gesicht trafen zwei Dinge aufeinander, die Neel immer für unvereinbar gehalten hatte: widrige Bedingungen und großes Glück.
Aber - erinnerte er sich, ehe ihr Lächeln ihn ansteckte - das Glück war nicht echt, nur vorgetäuscht.
»Ich muss dir ein paar Dinge sagen.«
Sie wurde schlagartig ernst und eine dunkle Ahnung zog eine Furche zwischen ihre Brauen, wie eine Schwester ihrer Narbe am Kinn.
»In meinem Leben hat sich einiges geändert, ich -«
Joy hob die Hand. Schluckte, als würde ihr etwas im Hals stecken. »Es ist okay. Was immer es ist, sprich es einfach aus. Ich war lange fort, ob ich zurückkommen würde, konntest du nicht wissen. Wenn du ... also ... Ich meine ... falls es ... falls du ...«
»Falls ich was?«
Sie schloss die Augen. »Wenn du eine andere hast, dann sag es mir.«
Eine andere? Kurz musste er überlegen, was sie meinte. »Eine andere ... Frau, denkst du?«
»Hm.«
Jetzt lachte er, auch wenn es sich mehr wie ein entrüstetes Schnauben anhörte - und auch genauso gemeint war. »Wirklich, Joy, du musst im Chivvy ganz schön was auf den Kopf bekommen haben.«
»Da ist keine andere Frau?«
»Was denkst du denn, du dummes Ding. Eine Frau? Ein halbes Dutzend Frauen hab ich!«
Ihr gemeinsames Lachen glättete Joys Stirn und entspannte ihn ein wenig. Leider rief es auch den Wirt wieder auf den Plan. Er hoppelte in seinem eigenartig steifen Gang zu ihnen und schlug mit einem Tuch in die Luft, dass es knallte wie eine Peitsche.
»Joy, du sollst die Gäste abfüllen, nicht unterhalten.«
Sie verdrehte die Augen, was nur Neel sehen konnte, wollte sich allerdings sofort wieder an ihre Arbeit machen. Er hielt sie am Handgelenk zurück.
»Ein paar Minuten nur«, bat er den Wirt. »Ich muss nur einen Moment mit ihr reden.«
»Deine paar Minuten kenne ich schon, Hauptmann«, blaffte der Mann zurück.
Joy hob die Augenbrauen.
Verflucht. Wie gut der Barmann ihn kannte, wollte Neel sie lieber nicht wissen lassen. Er wies in den fast leeren Schankraum. »Es ist doch kaum noch jemand da. Du wirst sie fünf Minuten entbehren können.«
»Alle Krüge sind gefüllt«, fügte Joy leise hinzu, doch der Wirt ignorierte sie. Seine Augen waren starr auf Neel gerichtet.
»Vielleicht gehst du jetzt besser.«
»Sobald ich mit ihr gesprochen habe.«
»Nein, du -«
»Du widersetzt dich? Einem Hauptmann?«
Der Wirt gab augenblicklich nach. Er grummelte etwas, das zu höflich für eine Beschimpfung und zu grantig für eine respektvolle Entgegnung klang, und humpelte davon.
Joy schüttelte verständnislos den Kopf. Sie setzte sich Neel gegenüber und lehnte den Rücken mit einem leisen Stöhnen gegen das Holz. Nur zwei Lidschläge lang gönnte sie sich
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