Dark Future: Herz aus Eis
dieser Schauder hatte nichts mit der Kälte zu tun.
Wizard rieb sich mit der Hand über die Stelle, an der sie ihn versehentlich mit dem Knie getroffen hatte, als sie über das Eis geschlittert war. Es war dieselbe Seite, in die Luc auch mit seinen Stahlkappenstiefeln getreten hatte. »Womit hast du mich getroffen?«
»Es war ein Unfall. Ich bin ausgerutscht …« Sie klappte den Mund zu und weigerte sich, weiter zu erklären. Eine unglaubliche Explosion hatte ihn wie eine Puppe durch die Luft geschleudert, und er fragte sie, womit
sie
ihn getroffen hatte?
Mit leicht zusammengekniffenen Augen funkelte sie ihn an. War das ein Grinsen?
Ihr Schweigen störte ihn offensichtlich nicht, denn Wizard kam auf die Beine und bot ihr seine Hand an. Sie starrte auf seine Finger und staunte, dass seine Gliedmaßen noch immer unversehrt waren. Die Wucht der Detonation war so gewaltig gewesen, dass sie ihren Truck erschüttert und beinahe umgeworfen hatte, doch Wizard hatte nicht mehr als einen Kratzer davongetragen. Der Mann hatte entweder unnatürlich viel Glück, oder er war einfach unnatürlich.
Ohne seine ausgestreckte Hand zu beachten, stand sie auf und versuchte, die unlogische Welle der Wut zu ignorieren, die sie überrollte. Seinetwegen hatte sie Angst gehabt, und sie war ebenso wütend auf sich selbst, weil sie sich Sorgen machte, wie auf ihn, weil er der Grund dafür war.
»Beeil dich, Raina Bowen«, sagte er und machte sich auf den Weg zu ihrem Truck.
Okay.
Das reichte.
Beeil dich? Was zum Teufel …
»Hey, Wizard«, rief sie. Er blieb stehen und drehte sich langsam um, um sie anzusehen.
Mit drei Schritten war sie an seiner Seite, und mit jedem dieser Schritte flammte ihre Wut höher auf. Er hatte sie in dieses verdammte Chaos gestürzt, hatte ihr den Zugang zum ICW verstellt, hatte ihr die Chancen genommen, den Preis zu gewinnen, und jeder Moment, den sie länger mit ihm verbrachte, schien sie nur noch tiefer hineinzureiten.
Und seinetwegen hatte sie sich Sorgen gemacht, obwohl dieses Eingeständnis sie wie eine fünfzehn Zentimeter lange Klinge ins Innerste traf. Sie wollte nichts für diesen Mann empfinden. Für keinen Mann. Sie wollte in ihren Truck steigen, den ICW nehmen und das verfluchte Rennen nach Gladow gewinnen. Sie wollte das Preisgeld nutzen, um sich ihre Freiheit zu erkaufen, ihre Sicherheit.
Und sie wollte es benutzen, um ihrer kleinen Schwester ein Leben zu ermöglichen.
Vielleicht konnte sie damit ein Wunder kaufen, das es ihnen ermöglichte, zusammen zu sein. Eine Familie. Die Familie, die haben zu dürfen sie nie das Glück gehabt hatte.
»Sag mir nicht, was ich tun soll«, sagte sie leise und vernünftig.
»Ich dachte, dein Ziel ist es, so schnell wie möglich zur Station nach Gladow zu kommen. Du verschwendest Zeit.«
Sie dachte eine Millisekunde darüber nach. Vielleicht auch weniger. Und dann holte sie aus und schlug ihn nieder. Gerade stand er noch da und sah von oben auf sie herab, und im nächsten Moment saß er auf seinem Hintern auf dem kalten, harten Boden und starrte sie an, während er sich über das Kinn rieb.
»Ein
Glückstreffer,
wie du es nennen würdest«, sagte sie, ging an ihm vorbei und schüttelte ihre Hand aus, um den stechenden Schmerz in ihren Fingerknöcheln zu vertreiben. »Erstaunlich. Ich habe tatsächlich etwas von Big Luc gelernt.« Sie warf ihm über die Schulter hinweg einen Blick zu und verspürte sträflicherweise eine tiefe Genugtuung, als sie die Verwirrung auf seinem Gesicht sah. »Beeil dich, Wizard. Du verschwendest Zeit.«
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6 . KAPITEL
A ls sie zu
Bob’s Truck Stop
zurückkamen, fiel Raina auf, dass die gewaltige Explosion, die Wizards Truck zerrissen hatte, anscheinend nicht laut genug gewesen war, um irgendjemanden aus dem Bett zu locken, der den Grund für den Lärm herausfinden wollte.
Willkommen im Nördlichen Ödland, wo Tod und Zerstörung niemandem etwas ausmachen.
Allerdings machte ihr das Schicksal von Ben und seiner Bande etwas aus, und sie hatte extra angehalten, um eine Kiste mit Vorräten zu besorgen, die sie dort deponieren wollte, wo die Kids sie ganz sicher fanden. Sie konnte es nicht erklären. Großzügigkeit hatte sie nie zu ihren Stärken gezählt. Verdammt, es war schon anstrengend genug, sich um sich selbst zu kümmern und zu überleben.
Aber sie hatte nun mal ein Herz für Waisenkinder.
Als sie die Kiste nun auf den Boden stellte, bemerkte sie, dass Ben, der in den Schatten verborgen war, sie beobachtete.
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