Dark Future: Herz aus Feuer
meisten anderen.
Also, was waren die Konsequenzen, Ana geküsst zu haben – eine Frau, die er mit einem Trick in dieses stinkende Loch gelockt hatte, wo sie von nun an leben musste und auch sterben würde, weil er keinen anderen Ausweg sah?
Sie war in direkten Kontakt mit dem infizierten Blut des Plünderers gekommen. Es hätte die winzige Chance bestanden, dass sie unbeschadet geblieben wäre, wenn sie keine Verletzung gehabt hätte. Doch Gemmas Klinge hatte ihre Hand aufgeschlitzt und damit jede Hoffnung zunichtegemacht. Blut war mit Blut in Berührung gekommen. Es bestand also kein Zweifel daran, dass sie infiziert war. Wenn er sie gehen ließ, würde jeder, mit dem sie in Kontakt kam, genauso infiziert werden, ehe sie schließlich starb.
Und sie
würde
sterben – einen entsetzlichen Tod mit unvorstellbaren Schmerzen und Qualen. Genau wie jeder andere hier unten sterben würde, wenn er nicht einen Weg durch die Zugangstunnel zum Labor fand und dort entdecken würde, dass das Experiment, das er vor Wochen begonnen hatte, sich entwickelt und ein Heilmittel hervorgebracht hatte.
In dem Fall wäre er vielleicht in der Lage, alle zu retten.
Sie
zu retten. Ana.
Wenn er sie hier einsperrte, fünfzig Meter unter der Erdoberfläche, konnte sie niemanden anstecken.
Nein, nicht
wenn.
Sie würde hierbleiben. Es gab keine Alternative.
Tatiana folgte Lamia in einen großen Raum, der von denselben altmodischen Lumi-Lichtern erhellt wurde, die sie auch sonst überall in der Anlage gesehen hatte. In der hinteren Ecke stand eine Ansammlung von alten, abgenutzten und zerrissenen braunkarierten Sofas. Davor entdeckte sie einen Plasmabildschirm, der wie der Fernseher in ihrem Zimmer so aussah, als wäre er schon dreißig Jahre alt.
Davor stand ordentlich aufgereiht ein Dutzend lange Resopaltische. Alte Tische, etwas modernere Stühle. Plastitech.
Es war ein Sammelsurium unterschiedlichster Dinge. Und es roch nach Essen. Etwas Erfreuliches an einem nicht besonders erfreulichen Ort.
Einige Leute saßen bereits an den Tischen und aßen. Sie erkannte Gemma und Shayne wieder, den Mann, den sie am Nachmittag gesehen hatte. Niemand sagte etwas, niemand blickte auf. Ein sympathischer Haufen.
Sie öffnete sich ein Stück weit, um die Situation besser einschätzen zu können, und versuchte, gerade genug vom Echo der elektrischen Strömungen zu erhaschen, um die düstere Stimmung zu verstehen.
Wie ein Satellitenprogramm im schnellen Vorlauf prasselten Bilder auf sie ein, ein tiefes
Wissen
über Dinge, die besser persönlich blieben.
Nicht nur Angst, auch Entsetzen und Panik. Selbsthass. Sie durchdrangen den Raum. Diese Menschen hassten sich … hassten das, was sie getan hatten … hassten das, was sie werden würden. Krank. Sie waren krank …
So viele Gedanken, so viele Emotionen, die von allen Seiten auf sie einstürmten. Es war beinahe nicht menschlich.
Sie holte tief Luft, rang den Drang nieder, zurückzuweichen, und fühlte sich, als wäre sie von Fäusten erbarmungslos niedergeschlagen worden. Übelkeit überkam sie, und sie schluckte und versuchte, sich zu sammeln. Das hier war eine ganz neue Erfahrung.
Vor Jahren, als die Gedanken anderer zum ersten Mal in ihren Geist gedrungen waren, war sie geschockt gewesen, verängstigt. Im Laufe der Zeit hatte sie sich beigebracht, den Strom zu lenken und zu kontrollieren. Sie öffnete sich nur selten zu weit, und noch seltener stieß sie auf einen Geist, den sie nicht durchdringen konnte.
Aber noch nie hatte sie sich so gefühlt, als würde sie die Emotionen von primitiven Wesen lesen. Unmenschlich, ein fremdartiges Bewusstsein.
Was überhaupt keinen Sinn ergab, denn hier saß eine Handvoll Menschen.
Menschen.
Sie verbarg ihre Verwirrung, drehte sich um und ging hinter Lamia in die offene Küche. Sie nahm sich einen Teller mit Essen und nutzte den Moment, um ihre Gedanken zu sammeln und sich zu beruhigen, ehe sie Lamia an Gemmas Tisch folgte.
Nach einem anfänglichen unbehaglichen Schweigen füllte Lamia die Stille mit Geplapper, und allmählich entstand eine Unterhaltung.
Tatiana beendete gerade ihr Essen, als Tristan auftauchte. Er wirkte hart und sehr gefährlich. Er hatte die Schichten von Thermokleidung abgelegt, in die er gehüllt gewesen war, und das schwarze Shirt und die Hose, die er trug, sahen lässig und bequem aus. Irgendwie erschien er ohne die zerfetzte Thermobekleidung breiter und größer.
Unter ihren Wimpern hervor beobachtete sie ihn, als er sich
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