Dark Future: Herz aus Feuer
dass diese drei Worte mehr Schichten und Tiefen hatten, als sie im Augenblick erkunden wollte.
»Das sagst du mir hier, im Dunkeln, in einem engen, halb eingestürzten Korridor. Mit einem toten Plünderer vor meinen Füßen«, murmelte sie. »Was soll ich darauf erwidern?«
»Genau das, was du gesagt hast.« Er bewegte sich, und sie fühlte seine Hand auf ihrem Haar. Eine flüchtige Liebkosung. »Wach aus dem düsteren Traum auf und sieh die Schönheit, die dich umgibt.«
Ihre Träume waren immer düster, doch das konnte er nicht wissen. Sie starrte auf die leere Wand, erschrocken über seine Worte.
Wach aus dem düsteren Traum auf.
Wie konnte dieser Unsinn so viel Wahrheit enthalten?
»Hier gibt es keine Schönheit zu sehen«, sagte sie und erhob sich.
»
Du
bist hier«, antwortete er sanft.
Sie stieß die Luft aus. Langsam sah sie ihn an. Sein Profil war hart und männlich, und sie konnte es trotz der Dunkelheit deutlich erkennen. Und sie wusste, dass sie gelogen hatte. Hier war Schönheit.
Er
war schön. Trotz der Umgebung und trotz der Wesen, die auf sie lauerten.
Sie konnte den Drang, ihn zu berühren, nicht länger unterdrücken. Zögerlich streckte sie den Arm aus und legte ihre Hand an seine Wange. Er schmiegte sich an sie, lehnte seine Stirn an ihre und umschloss ihre Wange. Sie atmeten gemeinsam, vollkommen eins.
Nach zwei Herzschlägen trat er abrupt zurück. »Wir müssen weiter. Sofort.«
Durch die plötzliche Veränderung seines Verhaltens und von den Gedanken und Emotionen, die durch sie hindurchströmten, benommen, starrte sie ihn an. Es waren nicht die Emotionen anderer. Es waren ihre eigenen. Ihre eigenen Gefühle, die mit einem Mal frei waren. Hier, an diesem Ort.
Tristan war der Grund dafür. Seit dem ersten Moment, als sie ihn getroffen hatte. Er stellte alles auf den Kopf: ihre Wahrnehmung, ihre Vorstellungen. Nicht weil er ihr seine aufdrängen würde, sondern weil er sie dazu brachte, sich ihren eigenen Gedanken von einer anderen Seite zu nähern.
Sie warf einen letzten Blick auf die verwesenden Überreste des Plünderers. Im Moment konzentrierte sie sich lieber auf das Rätsel, was diese Überreste bedeuteten, als auf die furchterregende Frage, warum Tristan in ihr Gefühle auslöste, die sie noch nie zuvor empfunden hatte.
Sie starrte auf die winzigen Handgelenkknochen und atmete scharf ein, als die letzten Stücke des Puzzles sich zusammenfügten.
Die Probanden waren mit irgendetwas infiziert worden. Etwas, das sie empfindlich gegen Licht machte. Etwas, das sie Stück für Stück zerfallen ließ.
Wards verfluchte Seuche war ausgebrochen. Oder jemand hatte sie bewusst freigesetzt.
Wer war ihr noch ausgesetzt gewesen? Kalen? Lamia?
Tristan?
Der Gedanke durchströmte sie wie ein heftiger Nordwind und vertrieb alle Wärme und alles Licht. Entsetzen und Angst erschütterten sie, als sie Tristan mechanisch den Korridor entlang folgte.
Der Typ, den Gemma erstochen hatte, hatte Schaum vor dem Mund gehabt. Er war aggressiv gewesen. Stärker, als er eigentlich hätte sein dürfen, auch nachdem er verwundet worden war, selbst für einen Plünderer.
Mit was zur Hölle hatte Ward ihre DNA gekreuzt? Was zur Hölle hatte ihr genetischer Code kreiert?
Sie konnte natürlich behaupten, dass sie keinen Beweis hatte. Dass es möglicherweise ein anderes Labor, ein anderes Experiment gegeben hatte und dass das hier das Ergebnis war. Aber sie wusste, es war eine trügerische Hoffnung. Diese Seuche war ihre. Ihre Schuld, ihr Genom.
Wie viele Menschen würden ihretwegen sterben?
Sie ging schneller, und ihr Schritt passte sich dem Rhythmus ihres hämmernden Herzens an.
Vor ihr blieb Tristan so abrupt stehen, dass sie ihm in den Rücken lief.
Sie hob die Hände, legte ihre Handflächen zwischen seine Schulterblätter und spürte durch sein Shirt hindurch seine Wärme, das leichte Spiel seiner Muskeln und das gleichmäßige Heben und Senken seiner Brust, als er atmete.
»Was ist los?«, fragte sie. »Was stimmt nicht?«
»Nichts. Ich musste einfach nur wissen, ob du da bist.« Er griff nach hinten, schloss seine Finger um ihr Handgelenk und drückte leicht. »Es ist entsetzlich dunkel hier drin. Bleib nahe genug hinter mir, damit ich dich atmen hören kann.«
Entsetzlich dunkel.
Wie passend. Ein Entsetzen, für das sie mitverantwortlich war. Wut brannte in ihrem Innersten. Sie hätte Ward schon vor langer Zeit stoppen können. Doch dieses Mal würde sie ihn aufhalten. Sie
würde
ihn
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