Dark Heart: Zweiter Band
Felson. Mark und ich hatten an diesem Abend den Bus genommen, da es um diese Zeit fast unmöglich war, einen Parkplatz zu finden. Außerdem: Wer einen Abend im Cellar plante, tat gut daran, sein Auto zu Hause stehen zu lassen, wenn er nicht in einer Alkoholkontrolle seinen Führerschein verlieren wollte. Die anderen vier waren schon früher losgezogen und hatten noch eine Kleinigkeit gegessen.
Für eine Nacht im September war der Wind, der durch die Häuserschluchten wehte, von einer schneidenden Kälte. Der Asphalt der Straßen glänzte regennass, die Bremslichter der Autos spiegelten sich in den Ölpfützen. Eine Ahnung von Herbst lag in der Luft.
Trotzdem hatten die anderen auf dicke Jacken verzichtet. Besonders Rachel sah noch immer so aus, als käme sie geradewegs vom Strand in Monterey. Sie zitterte wie Espenlaub in ihrer dünnen Bluse. Matthew war klüger gewesen. Er trug wenigstens eine schwarze Kapuzenjacke über seinem weißen T-Shirt. Megan und Kyle hatten sich so in Schale geworfen, als wollten sie ihre Versöhnung feiern.
Matthew tippte vorwurfsvoll auf seine Armbanduhr. »Leute, ihr seid spät! Wir waren für acht verabredet.«
»Entschuldige«, sagte Mark und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. »Lydia und ich hatten noch etwas zu besprechen.«
»Aha«, sagte Matthew nur. Er musterte mich misstrauisch, aber ich hielt seinem Blick stand. Er war Marks bester Kumpel und nahm ihn immer in Schutz. Ich wusste, dass er mich nur duldete, weil Mark ihm mal eine Ansage gemacht hatte.
Matthew und Rachel hielten unsere Truppe zusammen und übernahmen die Initiative, wenn es darum ging, irgendetwas auf die Beine zu stellen. Sie hatten die Ideen und wir führten sie aus. Megan und Kyle schwammen einfach mit. Sie waren anspruchslos, fast ein wenig langweilig, und erinnerten mich immer an ein altes Ehepaar, das weder miteinander noch ohneeinander leben konnte. Wahrscheinlich würden sie tatsächlich eines Tages heiraten, zwei Kinder bekommen und in eine der Vorstädte ziehen.
Obwohl es Montag war, hatte sich vor dem Cellar eine kleine Schlange gebildet, von der sich Matthew jedoch nicht beeindrucken ließ. Er stellte sich etwas abseits, zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer. Kurz darauf kam er wieder zurück.
»Und? Was ist jetzt?«, fragte Kyle, der jetzt so heftig fror, dass ihm die Zähne klapperten.
»Ganz ruhig«, sagte Matthew beschwichtigend und legte kameradschaftlich seinen Arm um Kyles Schulter. Es war, als würde ein Riese einen Zwerg umarmen. »Ich habe euch versprochen, dass wir hier hereinkommen. Und wenn ich etwas verspreche, halte ich es auch.«
Zwei Minuten später hörten wir einen leisen Pfiff. Wir drehten uns um und sahen einen bulligen Mann, dessen schwarzes T-Shirt ihn als Angestellten des Clubs auswies. Er winkte uns zu sich hinüber.
»Hier, geht durch die Küche«, flüsterte er. »Aber wenn euch jemand erwischt, habe ich euch nicht reingelassen.«
»Klasse, Mann«, sagte Matthew grinsend und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.
»Damit sind wir quitt, dass das klar ist«, sagte der Kerl.
»Jaja«, wiegelte Matthew ab. »Was immer du sagst.«
Der Mann schnaubte ärgerlich und ging voran.
In der Küche roch es nach gegrilltem Fleisch, altem Fett und Spülmittel. Zwei Köche und drei Küchenhilfen arbeiteten in einem Irrsinnstempo auf allerengstem Raum. Sie hoben kaum den Kopf, als wir uns vorbeizwängten. Schon hier hörte ich den wummernden Bass, der geradezu ohrenbetäubend wurde, als Kyle die Tür zum Clubraum öffnete. Matthew gab dem Mann, der uns hereingelassen hatte, zwanzig Dollar, woraufhin dieser etwas weniger mürrisch dreinschaute und verschwand.
»Kommt, ich gebe erst einmal eine Runde aus!«, rief Matthew. Die Post-Punk-Liveband auf der Bühne hatte die Verstärker derart aufgedreht, dass man sich nicht normal unterhalten konnte. Wir kämpften uns zum Tresen durch. Matthew zeigte auf ein Bier und hielt sechs Finger hoch. Ich wollte lieber eine Cola, doch die Bedienung nickte zurück und begann, ein halbes Dutzend Gläser zu füllen. Matthew beugte sich zu mir herunter und sagte irgendetwas, doch ich verstand ihn nicht.
»Ich sagte, du siehst nicht so aus, als hättest du den Spaß deines Lebens heute Abend!«, brüllte er ein zweites Mal in mein Ohr.
»Nicht wirklich«, erwiderte ich gereizt, denn ich war mittlerweile so müde, dass mich die Musik aggressiv machte.
»Wieso bist du denn dann mitgekommen?«, fragte er
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