Dark Inside (German Edition)
einschlafen wollen – jetzt war er schockiert darüber, dass er es doch getan hatte. Noch vor ein paar Stunden hätte er sich nicht vorstellen können, jemals wieder die Augen zuzumachen. Nachdem Evans ihn abgesetzt hatte, war er endlos lange auf und ab gegangen. Alle paar Minuten hatte er aus dem Fenster gesehen, während sein Herz wie wild klopfte und seine Muskeln sich so verkrampften, dass es wehtat. Nach einer Stunde hatte er nicht mehr gewusst, was er sonst noch tun konnte, also hatte er sich für eine Weile hingelegt, um den Kopf wieder freizubekommen.
Er stand auf und taumelte ins Wohnzimmer, wobei er über die Mülltüte fiel, die er an die Tür gestellt, am Morgen dann aber vergessen hatte rauszubringen.
Die Fernsehstationen sendeten noch immer nichts und er versuchte erst gar nicht, ins Internet zu kommen. In der Küche schaltete er die Kaffeemaschine an, dann ging er ans Fenster, um einen Blick nach draußen zu werfen. Ein Teil von ihm glaubte immer noch, dass jeden Moment die beiden Polizisten vor der Tür stehen und ihn erledigen würden, weil er Zeuge ihrer Verbrechen geworden war.
Doch auf der Straße war niemand zu sehen. In Whitefish waren wohl alle früh schlafen gegangen.
Nachdem sie Joe abgesetzt hatten, waren er und Evans nicht direkt zu seiner Wohnung gefahren, sondern hatten einen Umweg über das Polizeirevier gemacht, das sie aber ausgestorben vorgefunden hatten. Kein einziges Auto auf dem Parkplatz. Der Eingang war verschlossen gewesen. Sie hatten an die Glastür geklopft, doch es war niemand gekommen.
Seit wann konnte ein Polizeirevier einfach so zumachen?
Michael hatte noch einmal versucht, ein Netz für sein Mobiltelefon zu bekommen, aber es hatte wieder nicht funktioniert. Evans meinte, er habe mit mehreren Leuten gesprochen und alle hätten das Gleiche gesagt: Seit den Erdbeben funktionierte nichts Elektronisches mehr. Telefon, Internet, Fernsehen und selbst das Radio – sämtliche Kommunikationsmittel waren gestört oder ganz kaputt.
»Es sieht fast so aus, als gäbe es da etwas, das Dinge und Menschen verrücktspielen lässt«, meinte Evans. »Ich war gestern in Great Falls und da passiert genau das Gleiche. Bei einer Kneipenschlägerei haben sich ein paar Idioten gegenseitig totgeprügelt.«
»Glauben Sie das wirklich? Geht denn so was überhaupt?«
»Keine Ahnung«, sagte Evans. Er schlug mit der Faust gegen das Autoradio, das jedoch nur statisches Rauschen von sich gab. »Wir brauchen Informationen. Ist dir denn nicht aufgefallen, dass es heute keine neuen Nachrichten gegeben hat? Sie haben nur immer wieder die alten Berichte gesendet. Wenn die Reporter nichts Neues mehr bringen, kann man davon ausgehen, dass die Lage sehr ernst ist.«
Michael war überrascht.
»Wie kann das denn sein, dass es keine Nachrichten mehr gibt?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Evans. »Aber es ist ernst. Man lässt uns im Dunkeln. Ich gehe davon aus, dass das, was da vorhin auf dem Highway passiert ist, kein Einzelfall war. Und ich glaube, es werden noch sehr viel mehr Menschen sterben.«
Michael musste an ihre Unterhaltung denken, während er aus dem Fenster sah. Vorhin hatte er gedacht, Evans übertreibe nur. Doch jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Um diese Zeit waren normalerweise immer ein paar Leute auf der Straße unterwegs. Doch jetzt konnte er niemanden sehen.
Seltsam.
Aus der Wohnung unter ihm drang das Schnarren der Türklingel zu ihm herauf, doch die Schritte, die sonst immer darauf folgten, hörte er nicht. Er goss sich Kaffee ein und kippte viel Zucker dazu. Im Kühlschrank war keine Milch mehr. Er durfte nicht vergessen, morgen neue zu kaufen.
Michael ging ins Schlafzimmer zurück und war gerade an der Haustür, als es wieder klingelte, dieses Mal in der Nachbarwohnung. Er warf einen Blick durch den Türspion, um sicher zu sein, dass niemand im Korridor war, bevor er die Tür aufschloss und hinausging. Seine Wohnung ging nach hinten raus, er konnte also nicht erkennen, wer vor der Tür unten stand, es sei denn, er sah zum Fenster am Ende des Korridors hinaus. Es klingelte wieder, dieses Mal kam das gedämpfte Geräusch von seinem Nachbarn in 415. Niemand antwortete. Langsam bekam er den Eindruck, dass er der Einzige war, der sich noch in dem Gebäude aufhielt.
Michael war sich nicht mehr so sicher, ob er wissen wollte, wer da draußen war. Er ging wieder in seine Wohnung und sperrte zweimal ab. Dann stellte er seine Kaffeetasse auf den Tisch,
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