DARK MISSION - Fegefeuer
Haufen auf dem Fußboden. Silas schob es mit einem Fußtritt beiseite.
Jessie könnte gleich wieder aus dem Fenster steigen.
»Setz dich!«, befahl Silas. Er packte sie an den Schultern und zwang sie, sich auf den Boden zu setzen.
Erste Fünkchen Beklommenheit brachten Jessies Magen zum Flattern. »Das wird doch jetzt nicht …«
»Kein Wort mehr!«
Sie schwieg, wie geheißen. Denn sie war sich nur allzu bewusst, wie viel männliche Kraft in der schlanken Gestalt steckte, die sich bedrohlich über sie beugte. Jessie hatte schon Bekanntschaft mit der stählernen Härte dieser Muskeln, der Schnelligkeit und der animalischenEleganz gemacht, die diesen Körper ausmachten. Diesen Mann. Es war gar nicht so lange her und nicht sehr weit entfernt von hier gewesen. Hier aber saß sie auf dem Boden und starrte beklommen zu Silas Smith hinauf.
Er würde sie nicht noch einmal küssen. Er würde ihr sicher nicht wehtun.
Oder doch?
Jessie biss sich auf die Lippe. Sie biss noch fester zu, als Silas Smith nach seinem Gürtel griff und die Metallschnalle aufspringen ließ. Der Gürtel surrte aus den Schlaufen, die ihn an der Jeans hielten. Jessies Blick huschte hinauf zu Silas’ erbarmungslosen Gesichtszügen, zu den harten, zornig funkelnden Augen.
Angst jagte wie ein aufgescheuchtes Tier durch alle Winkel ihres Verstands. Würde er jetzt …?
Wäre das ihre Strafe? O Gott, würde er sie jetzt wirklich zwingen …?
»Ich weiß, dass du wieder abhauen wirst«, sagte er. Er kniete hinter ihr. Sie versteifte sich, zuckte zusammen, als sie seine rauen Finger an ihren Händen spürte. Ein metallisches Klicken verriet ihr, dass er die Handschellen öffnete. Aber der Jäger hielt Jessie bei den Handgelenken gepackt, ehe sie mehr tun konnte, als sich überrascht zu strecken. Wieder spürte sie raue, schwielige Hände, die an ihr herumfingerten. Silas verknotete den Gürtel um ihre Handgelenke. Als er fertig war, stand er auf. »Da ist genug Freiraum, damit du dich hinlegen kannst. Also sieh zu, dass du etwas Schlaf bekommst!« Erleichterung zersprang wie Glas in der Hitze aufwallender Wut. Fest presste Jessie die Handflächen zusammen und verdrehte die Handgelenke gegeneinander. Gott, wie abgrundtief sie Hexenjäger und vor allem diesen hasste!
Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, der Jäger müsste es hören können. Aber er drehte sich um und verließ das Zimmer. Die Tür zog er nicht gerade sanft hinter sich zu.
Jessie zählte bis zehn. Zwischen jeder Zahl atmete sie tief durch. Der Heizkörper hinter ihr klackerte zweimal metallisch laut und ächzte.Dann spie er Luft in den Raum, die nur unwesentlich wärmer war als die im Zimmer ohnehin herrschende Temperatur. Trotzdem war Jessie dankbar, als das bisschen Wärme in ihre nasse Kleidung sickerte. Ganz langsam, so langsam, dass Jessie sicher war, es würde sie in den Wahnsinn treiben, zog sie ihre Handgelenke auseinander.
Das Nylonmaterial des Gürtels gab nicht nach. Jessies Handgelenke steckten darin fest, waren viel zu straff verschnürt. Das Arschloch von einem Jäger verstand sich auf Knoten. Jessie bewegte die Handgelenke gegeneinander, sie spreizte und drehte sie, bis die Haut dort von ihren vergeblichen Bemühungen brannte.
»Gott verdamm mich!«, murmelte sie und sank gegen das warme Metall des Heizkörpers. Mit einem Mal überschwemmten Tränen ihre Augen, heiße Tränen des Zorns. Jessie blinzelte sie fort.
Sie konnte es sich nicht leisten zu weinen. Nicht jetzt. Sobald sie sich erst befreit hätte, sobald sie Caleb gefunden und ihn aus der Scheiße gezogen hätte, in die er sich hineinmanövriert hatte, könnte sie den Tränen nachgeben. Dann könnte sie sich hinsetzen und eine Runde flennen.
Jessie atmete hörbar aus.
Mit geschlossenen Augen versuchte sie sich vorzustellen, was das wohl für Leute waren, denen sie bei Tagesanbruch begegnen sollte. Sie fragte sich, ob sie diese Begegnung wohl überleben würde oder eher nicht. Diesen Leuten gegenüberzustehen würde ihr alles an Mut abverlangen und an Kaltblütigkeit , was sie noch in sich hatte. Sie musste einen ganzen Raum voller Hexenjäger anlügen und lang genug überleben, um später darüber zu lachen.
Selbst wenn ihr Lachen dabei an Hysterie grenzte.
Herrgott! Was hatte sie nur verbrochen, um dieses Schicksal zu verdienen? Was hatte Caleb verbrochen? Ging es hier tatsächlich nur um ihre magischen Kräfte?
Oder ging es eigentlich um etwas ganz
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