Dark Moon
Geschäftsbeziehung reicht bis ins Jahr 1959 zurück.«
»Aber Emilia Frazetta war nicht ihr richtiger Name«, hakte Mom nach.
»Ja, das ist richtig. Aber falls es Sie beruhigt: Meine Mandantin hat nicht deshalb mehrmals in ihrem Leben die Identität gewechselt, weil sie kriminell aktiv gewesen wäre.«
»Sondern?«, fragte ich.
Erst jetzt schien Solomon auch mich zu bemerken. Er musterte mich von oben bis unten. »Was diesen Punkt angeht, bin ich an meine anwaltliche Schweigepflicht gebunden.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts. »Dies ist die Vollmacht, die Emilia mir 1960 erteilt hat. Im Falle ihres Todes sollte ich mich um ihre Hinterlassenschaften kümmern.«
Dad nahm das Papier entgegen und studierte es. »Woher sollen wir wissen, ob diese Unterschrift echt ist?«
»Vielleicht kann Ihnen Ihre Frau helfen, diese Zweifel auszuräumen«, sagte Charles Solomon.
Dad reichte ihr den Vertrag.
Mom überflog ihn. »Die Vollmacht wurde in Des Moines ausgestellt und von einer Carla Gimenez unterschrieben.«
Des Moines 1960! Dieser Ort hatte auf einer der Mappen aus dem Keller gestanden und auch der Name passte.
»Carla Gimenez«, sagte ich. »Also war das ihr Geburtsname.«
Solomon lächelte und schwieg.
»Nun sollten wir langsam zur Sache kommen«, sagte mein Vater kühl. »Was können wir für Sie tun?«
»Nun, zunächst einmal möchte ich Ihre Auslagen für die Beisetzung erstatten.« Solomon reichte meiner Mutter einen Scheck. »Ich hoffe, dieser Betrag deckt Ihre Unkosten.«
Mom bekam große Augen, als sie den Betrag sah. »Fünfzehntausend Dollar? Das ist eindeutig zu viel.«
Solomon deutete eine Verbeugung an. »Betrachten Sie die Summe als Wiedergutmachung für Ihre Mühen.«
Mom schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber das kann ich nicht annehmen.«
»Dann spenden Sie das Geld einer wohltätigen Stiftung.«
Sie steckte den Scheck widerstrebend ein.
»Und was ist der zweite Grund?«, fragte Dad.
»Um eine vollständige Liste der Vermögenswerte aufzustellen, muss ich wissen, welche Kunstwerke sich im Besitz von Emilia Frazetta befinden. Ein von mir beauftragter, unabhängiger Prüfer wird dann die Schätzung vornehmen. Dazu müsste ich aber das Haus besichtigen.«
»Das ist alles?«, fragte Mom.
»Ja, sobald das geregelt ist, werde ich Sie nicht mehr behelligen.«
Als wir die Water Lane erreichten, hatte sich das feine Nieseln in einen kräftigen Schauer verwandelt. Dad wollte im Wagen warten, bis der Regen nachließ, doch Charles Solomon stand schon mit aufgespanntem Schirm neben dem Auto und klopfte gegen die Scheibe. Dad betätigte den Fensterheber.
»Seien Sie mir bitte nicht böse, M r Garner«, sagte Solomon, »aber wir sollten uns nicht vom schlechten Wetter beeindrucken lassen. Auf mich warten noch andere dringende Termine.«
Dad seufzte, zog sich die Jacke über den Kopf und stieg aus. Mom bedeckte den Kopf mit der aktuellen Ausgabe des Standards , doch die Zeitung war nach wenigen Sekunden so durchweicht, dass sie von ihrem Kopf herunterhing und ihr die Sicht nahm. Wir eilten zum Hauseingang und suchten Schutz unter dem Vordach. Mom nestelte mit klammen Fingern den Haustürschlüssel aus der Handtasche. Dad, der bemerkte, dass ich vollkommen durchnässt war, legte mir seine Jacke um die Schultern. Es dauerte einen Moment, bis Mom zu uns aufgeschlossen hatte und wir eintreten konnten.
Jede Wohnung, jedes Haus hat seinen eigenen, typischen Geruch. Noch vor einigen Wochen, als die Duponts hier gewohnt hatten, hatte es nach Holz und Leder gerochen. Jetzt war wieder überall dieser Rosenduft, jedoch nicht so penetrant wie bei meinem letzten Besuch. Seltsamerweise schien ich nach wie vor die Einzige zu sein, die ihn bemerkte.
Wir waren schon drinnen, als Charles Solomon noch immer zögernd in der Tür stand. Um eine Hand hatte er die Holzperlenkette gewickelt.
»Was ist denn mit Ihnen?«, sagte meine Mutter gereizt. »Vorhin ging es Ihnen nicht schnell genug und nun bleiben Sie draußen stehen.«
Solomons rechtes Auge zuckte nervös.
»Bitte«, drängte auch mein Vater. »Nun kommen Sie schon herein.«
Ich glaubte, einen Seufzer der Erleichterung zu hören, als Solomon nun über die Schwelle trat. Er stellte seine Aktentasche auf dem Wohnzimmertisch ab und holte ein kleines Notizbuch hervor. Er ließ einen schnellen Blick über die Bilder an der Wand schweifen, lächelte zufrieden und machte sich eine kurze Notiz. Er wirkte wie jemand, der das Ziel einer langen Reise
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