Dark Moon
glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.«
»Auf gar keinen Fall!«, antwortete er empört.
»Dad, es reicht!«, fuhr ihn Mark an. »Du bringst Lydia in eine peinliche Situation.«
George drückte mir eine warme Cola in die Hand. »Maggie und ich, wir lassen uns scheiden.« Das sagte er in einem Ton, als hätten sie sich entschlossen, ein neues Auto zu kaufen. »Ich übernehme alle Schulden und ziehe aus.«
Maggie zog trotzig die Nase hoch, hielt aber die Tränen zurück. Es war ihr anzusehen, dass sie ihrem Mann diesen Triumph nicht gönnen wollte.
»Und warum wollen Sie sich trennen?«, fragte ich vorsichtig.
»Ich glaube, Maggie und ich, wir beide haben uns einfach auseinandergelebt. Nicht wahr?« Er nippte an seinem Mineralwasser und blickte seine Frau traurig an.
»Mom war die Einzige, die immer auf deiner Seite wa r – egal, was die anderen von dir hielten.« Mark konnte sich nur schwer beherrschen. Noch nie hatte ich ihn so aufgewühlt gesehen. »Sie hat dir den Rücken freigehalten, immer wieder Entschuldigungen für dich gefunden und dich gerettet, als dir die Banken bei lebendigem Leib die Haut abziehen wollten!«
»Ich gehe wirklich besser«, sagte ich und stellte mein Glas auf dem Wohnzimmertisch ab. George Dupont versperrte mir den Weg.
»Ich möchte, dass du die Wahrheit sagst, wenn dich jemand fragt, warum wir uns getrennt haben«, sagte er. »Es ist ein klarer Schnitt. Ich übernehme alle Schulden und Verpflichtungen. Auf dem Auslandskonto liegen jetzt noch 50000 0 $. Maggie hat die alleinige Vollmacht über diese Summe. Sie kann damit machen, was sie will.«
George leerte sein Wasserglas in einem Zug und nahm dann sein Jackett von der Sofalehne. Er war bereit zu gehen, hielt dann aber noch einmal inne. »Du bist ein ganz besonderes Mädchen, Lydia. Manchmal frage ich mich, ob mein Sohn weiß, was er an dir hat.«
Ich stellte mich demonstrativ an Marks Seite und legte den Arm um ihn. »Fragen Sie mich lieber, ob ich weiß, was ich an ihm habe! Mark war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte.«
George Dupont musterte mich amüsiert, dann ging er. Leise zog er die Tür hinter sich zu.
»Ich verstehe nicht, was auf einmal in ihn gefahren ist«, schluchzte Maggie. »Er war schon so seltsam, als ich ihn in der Klinik abgeholt habe.« Maggie schnäuzte sich und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich weiß nicht, was die in Powell River mit ihm angestellt haben.«
»Du brauchst ihn doch gar nicht.« Mark setzte sich neben seine Mutter und nahm sie in den Arm. »Das hast du bewiesen, Mom. Das hier ist tatsächlich ein klarer Schnitt. Du hast es gehört: Dad will nichts mehr mit uns zu tun haben. Er gibt dich frei.«
»Zweiundzwanzig Jahre waren wir verheiratet!« Maggie begann wieder zu weinen. »Wir sind durch dick und dünn gegangen. Und nun schmeißt er mich einfach weg wie ein altes Paar Schuhe! Ich verstehe das nicht! Warum tut er das?«
Ich wusste keine Antwort auf diese Frage, und wenn Mark eine hatte, behielt er sie für sich.
Meine Eltern waren überrascht, aber nicht sonderlich entsetzt, als ich ihnen von der Trennung der Duponts berichtete. Ich glaube, Mom hätte sich gewünscht, dass Maggie von sich aus die Scheidung eingereicht hätte. Dad gab keinerlei Kommentar ab, doch es war klar, auf wessen Seite seine Sympathien lagen. Mom rief noch an diesem Abend in der Douglas Street an, während Dad sich mit einem Stapel Papiere in sein Arbeitszimmer verkroch. Ich zappte noch eine halbe Stunde durch das Fernsehprogramm und beschloss dann, früh zu Bett zu gehen. Die letzten Tage waren so aufregend gewesen, dass ich in den vergangenen Nächten nur wenige Stunden Schlaf gefunden hatte. Ich putzte mir die Zähne, zog meinen Pyjama an und warf einen Blick aus dem Fenster. Vor dem Haus stand ein alter Lieferwagen. Die Fenster waren abgedunkelt, aber ich erkannte einen Aufkleber an der Windschutzscheibe. Darauf war ein stilisierter Squamish-Wappenpfahl. Ich musste lächeln. Großmutter sorgte gut für mich.
Ich legte mich ins Bett und versuchte noch einige Seiten zu lesen, aber ich war zu müde. Nach einer halben Seite schlief ich mit dem Buch neben dem Kopfkissen ein.
Lydi a …
Ich schreckte hoch und blickte mich verwirrt um. Draußen war es bereits dunkel. Die Vorhänge bauschten sich im Nachtwind. Durch das geöffnete Fenster hörte ich das gleichmäßige Rauschen des Regens. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und warf einen Blick auf den Wecker. Es war kurz nach zwölf,
Weitere Kostenlose Bücher