Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
meine Stärke.
Guarda und Eduardo sahen sich an. Von der Macht, die plötzlich im Raum
spürbar wurde, bekam ich eine Gänsehaut auf den Armen. Ich begann mir Sorgen zu
machen, dass sie ernsthaft versuchen könnten, mich in Schach zu halten, indem
sie mich kurzerhand von Christian trennten und in ihr Gemeinschaftshaus
verfrachteten. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen. Wenn ich so tat,
als sei ich bereit, meine Einwände noch einmal zu überdenken, und mich der
Gemeinschaft gegenüber wohlgesinnt zeigte, kam ich vielleicht davon, ohne
Schaden anzurichten. Ich war auf eine gute Beziehung zu den beiden angewiesen,
wenn ich herausfinden wollte, wo Christians Freund festgehalten wurde.
Andererseits war Guarda vielleicht viel zu clever, um auf ein solches Manöver
hereinzufallen.
„Aber“, sagte ich mit einem kleinen Lachen, das sogar für meine Ohren
gezwungen klang, „wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, wie man so
schön sagt. In Bezug auf die Unterkunft werden wir sicherlich eine Lösung
finden. Mir ist absolut bewusst, wie wichtig Ihre Gemeinschaft ist. Wenn Sie
mir vielleicht ein bisschen mehr über die täglichen Arbeitsabläufe sagen, über
die Mitgliederzahlen, die aktuellen Forschungsprojekte und ihre Standorte und
so weiter, bin ich vielleicht eher gewillt, die Zweisamkeit mit meinem
Gefährten gegen ein Einzelbett in Ihrem Gemeinschaftshaus einzutauschen.“
Guarda warf Eduardo einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich bedauerte
außerordentlich, dass ich nicht das geringste Talent zum Gedankenlesen besaß
und Christians Einwände gegen ein Treffen mit Guarda ohne seine Begleitung so
leichtfertig abgetan hatte.
„Aber natürlich, ich gebe Ihnen gern einen kleinen Einblick“,
entgegnete Guarda und faltete die Hände, während Eduardo sich auf die
Schreibtischkante setzte. Sie sah nicht so aus, als hätte meine Show sie
überzeugt, aber offensichtlich hatte sie beschlossen, im Zweifel für die
Angeklagte zu entscheiden.
„Der Vorstand der Gemeinschaft setzt sich, wie Sie wissen, aus
mehreren einflussreichen, wichtigen Leuten zusammen, die großes Interesse an
der Erforschung des Übernatürlichen haben. Unser Hauptsitz ist hier in London,
wo wir das Stadthaus und eine Forschungseinrichtung haben. Außerdem haben wir
über das Land verstreut drei weitere Häuser, wo wir in verschiedenen
artverwandten Arbeitsbereichen experimentieren, doch unser Hauptinteresse gilt
natürlich Geistern und geisterhaften Phänomenen.“
So, so, drei weitere Häuser. Ich gab die neugierige Touristin. „Das
klingt ja spannend, besonders das mit den Häusern außerhalb der Stadt. Ich
nehme doch an, in diesen Gebäuden spukt es? Ich liebe solche Orte. Ich würde
zum Beispiel furchtbar gern einmal den Tower besichtigen, aber für Sie ist das
bestimmt ziemlich unspektakulär. Wo befinden sich die Häuser denn genau? Ich
habe noch nicht viel von England gesehen, denn meistens bin ich ja nachts
unterwegs und besuche Orte, die für übernatürliche Phänomene bekannt sind.“
Eduardo schenkte mir erneut ein strahlendes falsches Lächeln. „Eines
unserer Häuser ist eine alte Abtei vor der Stadt. Dann haben wir noch eins in
Schottland, das Zeuge mehrerer blutiger Schlachten wurde, und das dritte ist
ein kleines Cottage in Cornwall, in dem jeweils zur Zeit der Sonnenwende viel
Geisteraktivität verzeichnet wird. Wir vermuten dort einen erheblichen
druidischen Einfluss.“
„Druiden? Das ist ja äußerst faszinierend! Und was stellen Sie so mit
den Geistern an, die Sie beschwören?“, fragte ich Guarda im Plauderton und
hoffte, dass ich nicht zu neugierig wirkte. „Sie hatten erwähnt, dass Sie die
Geister eine Weile zu Forschungszwecken dabehalten, bevor Sie sie befreien -
was machen Sie denn genau?“
Guarda zählte die üblichen Verfahren wie Spektralanalyse, akustische
Analyse von Stimmsignalen, Ionenanalyse und EMW Messung auf und sprach außerdem
von der Recherche der Lebensgeschichte und Befragungen zum Geisterdasein. Bis
auf die letzten beiden Punkte entsprach das der üblichen Vorgehensweise.
Beunruhigend fand ich allerdings, dass Guarda log. Sie log, dass sich die
Balken bogen.
Beschwörer haben ein gutes Gespür dafür, ob jemand lügt. Das hat mit
unserer Fähigkeit zu tun, selbst die winzigsten Veränderungen in der Umgebung
wahrnehmen zu können (dem Erscheinen eines Geists gehen beispielsweise stets
leichte Schwankungen in der Raumtemperatur und der Dichte der Luft voraus).
Meines Erachtens
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