Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
machen wir uns mal auf den Weg.“
Er ging zu der Feldflasche und machte sie zu. Ich schloss die Augen und legte meinen Kopf gegen den Fels zurück, während ich darauf wartete, dass er mich losband. Dabei spürte ich etwas Kühles und Feuchtes, etwas wie Nebel, das sich hinter meinem Rücken und Nacken ausbreitete. Es fühlte sich für meine neuen Wassersinne irgendwi e … falsch an. Sekunden später, bevor ich mir noch über den Unterschied klar werden konnte, verdichtete sich der Nebel zu schleimiger Haut.
„Dori…“
Mein Schrei wurde durch kalte Klauenhände abgewürgt. Die eine legte sich über meinen Mund, die andere um meine Kehle. Dorian war noch vor meinem Aufschrei herumgewirbelt, anscheinend hatte er früher als ich etwas gespürt. Er warf sich in meine Richtung, aber vor ihm materialisierten sich vier nasse, menschenähnliche Gestalten in der Luft und schnitten ihm den Weg ab. Nixen. Wassergeister.
Zwei waren männlich, zwei weiblich. Legenden deuteten an, dass sie schönere Gestalt annehmen konnten, aber diese hier waren unansehnlich. Feuchte Haut, fleckig und grau. Tropfnasse Kleider. Fatzglatte Haare wie Seetang. Diejenige, die mich festhielt, hebelte mich zu Boden, um mir den Sauerstoff noch schneller abschneiden zu können. Aus ihren Haaren tropfte Wasser auf mich, und ihre Augen glänzten im nachlassenden Licht in einem ungesunden Grün. Sie fauchte vor Freude und drückte fester zu, während ich hektisch meine Optionen durchging.
Das ging schnell, denn ich hatte keine. Ich war vollständig bewaffnet, kam aber wegen Dorians verfluchtem Bondage-Fetisch an nichts ran. Mit zugehaltenem Mund konnte ich auch keinen Hilfsgeist rufen. Die Welt flackerte in einem Sternenregen, als mir die Luft ausging. Meine Lungen und meine Kehle verkrampften sich. Die Klauen der Nixe bohrten sich in das weiche Fleisch meines Halses, sodass ich mich fast schon fragte, ob sie mir wohl den Kopf abreißen wollte, weil ihr das Erwürgen zu lange dauerte.
Meine einzige Hoffnung war Dorian, aber der kam nicht an mich ran, der hatte genug mit den andere n …
Auf einmal erhob sich jeder Stein und jeder Kiesel um uns herum in die Luft. Kurz darauf folgten die richtig großen Steine und Felsbrocken. Die größten explodierten in Tausende winziger Scherben. Und diese ganzen kleinen Felsstückchen stiegen höher, vereinigten sich miteinander zu einer langsam im Uhrzeigersinn rotierenden Wolke.
Der Würgegriff meiner Nixe hatte etwas nachgelassen, vor Verblüffung wahrscheinlich. Es brachte mir noch keine Luft, aber ich konnte den Kopf so weit drehen, dass ich Dorian dort mit hochgereckten Armen stehen sah wie einen Dirigenten. Über ihm rotierte dieser Wirbelsturm aus scharfkantigen Steinen inzwischen so schnell, dass sie vor den Augen verschwammen. Dann, als gäbe er nun den großartigen Schlussakkord des Stücks, nahm Dorian die Arme ruckartig herunter.
Und herunter kamen auch die Steine.
Ein Teil des Mahlstroms stieß herab und schwirrte umher wie die primitiven Vorläufer von Pistolenkugeln. Zunächst wirkten ihre Bewegungen chaotisch, und ich hatte Angst, von ihnen getroffen zu werden. Aber wie sich herausstellte, hatte jeder Stein seinen eigenen Plan, sein eigenes Ziel. Die scharfen Bruchstücke hobelten auf die Nixe ein, die mich festhielt, stachen und schlitzten mit brutaler Präzision. Sie öffnete ihren Mund zu einem stummen Schrei, als ihr Blut auf mich niederklatschte und ihr zerfetzter Körper zu einem blutigen, nassen Haufen zusammenfiel. Ich drehte mich unter ihr hervor und schnappte wild nach Luft.
Drüben machte Dorian erneut eine Abwärtsbewegung, trieb sein Orchester zum nächsten Höhepunkt. Die Steine rasten auf das nächste Wasserwesen hinab, rissen es in Stücke. Dann das nächst e … und das nächst e … bis sie nur noch blutige, besudelte Fetzen waren. Als die Steine ihre Aufgabe erfüllt hatten, fielen sie weich zu Boden, so sanft und mild wie Regentropfen.
Der ganze Gegenangriff hatte weniger als eine Minute gedauert.
Sofort kniete Dorian neben mir und half mir, mich aufzusetzen, während ich keuchend ins Leben zurückkehrte. „Ruhig, ganz ruhig“, warnte er. Wir waren beide voller Blut. „Flach atmen.“
„Binde mich los! Schaff mich hier weg!“
Er zog das Silberathame aus meinem Gürtel. Binnen Sekunden durchtrennte er die Seidenbänder, befreite meine Arme und Hände. Ich riss mich los, immer noch voll mit Adrenalin. Er streckte die Hände nach mir aus, aber ich schlug auf ihn
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