Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
manipuliert war. Damit blieben mir sechs Stunden, und je weiter diese Zeit fortschritt, in desto besserer Verfassung würde ich sein. Ich hätte alles für eine Uhr oder auch nur einen Blick auf den Sonnenstand gegeben. Ich musste die Zeit im Auge behalten und bis zum letzten Moment warten, damit meine Kraft auf dem Höhepunkt war. Anscheinend blieb mir nichts anders übrig, als sie abzuschätzen und darauf zu hoffen, dass ich nicht falschlag.
Einen Moment lang überkam mich Panik. Mir fiel nichts ein, das ich unternehmen konnte, und ich hatte keine Ahnung, wie schnell die Wirkstoffe des Trunks abgebaut wurden. Jeden Moment konnte irgendjemand reinkommen. Leith zum Beispiel. Leith – Da ich jetzt nicht mehr ganz so benebelt war, waren die Erinnerungen an das, was er getan hatte, viel deutlicher, und meine Angst wuchs –
Nein! Ich befahl mir rasch, nicht mehr in diese Richtung zu denken. Nicht an Leith. Nicht an sehr schlecht stehende Chancen. Ich durfte nur an Flucht denken, und das hieß, mich auf die Einzelheiten zu konzentrieren.
Ich war heute brav gewesen – keine Handschellen. Und wegen des Nachtschattens hatte niemand es für notwendig gehalten, mir solche Eisenarmbänder zu verpassen, wie die Mädchen sie trugen. Das bedeutete, dass meine Magie, von dem Trunk einmal abgesehen, in keiner Weise eingeschränkt war. Irgendwie hatte ich meine Zweifel, dass ich in sechs Stunden die Kraft haben würde, diesen Laden mit einem Mini-Tornado auseinanderzunehmen. Was blieb mir dann? Wenn ich Glück hatte, einiges an Körperkraft und damit … meine Schamanenkräfte?
Der Countdown begann. Die Minuten vergingen quälend langsam, zumal ich keine brauchbare Möglichkeit hatte, sie zu zählen. Zunächst versuchte ich tatsächlich, im Kopf die Sekunden zu zählen, aber das ermüdete mich bald. Ich konnte nichts anderes machen als warten und schauen, wie weit sich mein Körper erholte.
Und er erholte sich durchaus. Klar, ich war meilenweit davon entfernt, jemandem ordentlich in den Arsch treten zu können, aber ich wurde ein bisschen klarer im Kopf. Aufstehen und herumgehen klappte auch ganz gut. Schließlich sagte ich mir, jetzt oder nie. Ich musste meinen Zug machen. Vielleicht waren die sechs Stunden noch lange nicht um, aber ich durfte es nicht riskieren, sie zu überziehen.
Mit meinem Zauberstab, Kerzen und anderem Handwerkszeug wäre es leichter gewesen. Aber was ich vorhatte, war nicht unmöglich. Ich machte das Licht aus, sodass es stockdunkel war, und setzte mich im Schneidersitz aufs Bett.
»Volusian«, sagte ich leise. »Bei dem Band, das uns verbindet, rufe ich dich. Komm zu mir, und gehorche meinen Befehlen!«
Ich war zwar schwach, aber ich spürte, wie mein Willen sich ausdehnte und durch die Welten hinweg nach meinem Hilfsgeist ausgriff. Zuerst glaubte ich schon, dass es nichts brachte – dann spürte ich etwas. Das allerwinzigste Zucken unserer Verbindung. Ich biss die Zähne zusammen und raffte alle Kraft zusammen, über die ich verfügte. »Ich rufe dich«, grollte ich. »Gehorche mir und komm!«
Einen Moment lang glaubte ich schon, versagt zu haben. Dann erfüllte Kälte den Raum, und vor mir brannten rote Augen. Sie in dieser Schwärze zu sehen war beängstigend, und so stand ich stolpernd auf und machte das Licht wieder an.
»Meine Herrin ist zurückgekehrt«, sagte er. »Oder besser, ich bin zu meiner Herrin zurückgekehrt.«
Ich brauchte das leichte Kräuseln seiner Mundwinkel nicht zu sehen, um zu wissen, dass ich ihn nur schwach im Griff hatte. Als führte ich ihn an einem seidenen Faden herum, der jeden Moment reißen konnte. Ihn hierher zu holen, durch die Welten hinweg, hatte mir mehr abverlangt, als ich für möglich gehalten hätte. Noch hatte ich ihn im Griff, aber zum ersten Mal in all den Jahren, seit ich ihn versklavt hatte, dämmerte mir ernsthaft, wie mächtig er wirklich war – und wie gefährlich.
»Ich habe Aufgaben für dich«, sagte ich streng. Ich durfte keine Schwäche zeigen.
Er machte ein paar Schritte auf mich zu. »Wie dreist von meiner Herrin, das zu sagen. Ihr könnt doch jetzt schon kaum das Band zwischen uns aufrechterhalten.«
»Ich kann dieses Band bis zum Ende aller Tage aufrechterhalten. Und nun gehorch mir.«
Und fast bevor ich sah, was passierte, lagen seine Klauenhände um meinen Hals – kalt, eiskalt. So kalt, dass es brannte.
»Darauf habe ich so lange gewartet«, zischte er. »Und nun seid Ihr endlich geschwächt, und ich kann Euch töten und Euch
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