Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Millionen Menschen lebt und doch einsam und allein ist.
Kriminalität gehört in der Stadt zum Alltag. Dort ne hmen die Menschen mehr Notiz von den Fußballergebnissen als vom Nachbar nebenan, der mit aufgeschlitzter Kehle in seiner Wohnung liegt. Und schreit man auf offener Straße um Hilfe, dann wird man höchstens angesehen, als käme man aus einer anderen Galaxis. Von Nächstenliebe oder gar Nächstenhilfe keine Spur.
In einer Großstadt stellt man sein Auto ab und muss hoffen, dass es am nächsten Tag noch da ist. Oder man kommt vom Büro nach Hause und ist dankbar, dass man noch lebt. Ganz anders am Land. Hier ist es nicht nötig seinen Wagen abzuschließen oder muss Angst haben Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Die einzigen krimine llen Vorfälle beschränken sich meist auf Lausbubenstreiche, einer Kneipenschlägerei, oder einen Diebstahl. Das sind dann jene aufregenden Zeiten, in denen die Kleinstädter die Türen verschließen. Zumindest für ein paar Tage, bis der ganze Tumult sich in Schall und Rauch aufgelöst hat. Außerdem sorgt so eine kleine Aufregung für wochenlangen Gesprächsstoff, manchmal auch für jahrelangen, wenn noch die Großväter ihren Enkeln davon berichten. Grundsätzlich kann man zwei Arten von Kleinstädten unterscheiden. Zum einen diejenigen, in denen noch nie etwas Schlimmeres passiert ist, als der bereits erwähnte Diebstahl. Ab und an sorgen vielleicht auch noch Nachbarschaftsstreitigkeiten für Gesprächsstoff. Davon erzählt man sich übrigens auch zwanzig Jahre später noch. Aber ansonsten passiert in diesen Oasen der Ruhe und Rechtschaffenheit rein gar nichts. Doch es gibt auch Kleinstädte in denen sich das anders verhält. Sie haben eine Vergangenheit, meist ein dunkles Geheimnis voller Abscheu und Niedertracht.
Vor Jahrzehnten ist vielleicht einmal etwas Schreckl iches passiert. Ein Mord beispielsweise, oder eine Vergewaltigung. Das sind dann jene Ereignisse, von denen jedermann weiß, über die aber ein beharrlicher Mantel des Schweigens gebreitet wird. Man spricht einfach nicht über solche Dinge, schon gar nicht, wenn man den kennt, der sie begangen hat. Hat Frau Meier das hundertste Strafmandat kassiert, oder läuft Herr Schmied in den Spitzenhöschen seiner Ehefrau in seinen vier Wänden herum, zerreißen sich die Leute das Maul darüber. Aber passiert etwas wirklich Schlimmes, etwas schon nahezu Böses, dann wird geschwiegen. Allenfalls unter vorgehaltener Hand wird im Flüsterton darüber getuschelt. Und für die meisten Einwohner ist auch das schon zu viel.
Das Vorkommnis wird selten vergessen, sondern vie lmehr verdrängt. Möglicherweise in der Hoffnung die Sache ungeschehen zu machen, wenn man sie nur lange genug ignoriert. Die Menschen verbannen das Grauen in den staubigsten Winkel ihrer Erinnerung, das Problem ist nur: es kann zurückkehren.
So eine Art Kleinstadt ist Kirchbergen im niederösterreichischen Weinviertel.
Das Grauen stattete ihr einst einen Besuch ab.
Doch manchmal kommt es wieder…
1989
Der Pfad lag in Dunkelheit vor ihnen. Der Junge hielt sich verkrampft an der Hand seines Vaters fest. Wohin er auch schaute, alles schien ihm unheimlich. Schlimme Dinge konnten in den Schatten lauern.
Ein Kauz schrie unentwegt, als wollte er jemanden warnen. Oder ankündigen.
Die Blätter in den Bäumen raschelten. Alleine hätte sich der Junge nachts nie hierher getraut. Die Nacht erweckte seine dunkelsten Fantasien zum Leben.
Er hatte Angst. Es war die Urangst, die in jedem Me nschen so tief verwurzelt ist und einem rät nicht weiterzugehen.
Der See glitzerte im geisterhaften, bläulichen Licht des schwachen Mondscheins.
„Wo sind die Angelruten?“
„Leg deinen Rucksack ab, mein Junge“, sagte der Mann, ohne die Frage zu beantworten.
Er kniete sich zu seinem Sohn, um ihm in die Augen zu sehen.
Er sah in das hübsche unschuldige Gesicht.
„Du weißt, dass ich dich lieb habe, Kumpel.“
„Ja, Papa. Ich hab dich auch sehr lieb.“
Dem Jungen war etwas unwohl zumute, nicht wegen des Mondes, des Kauzes, oder den Dingen, die hinter den Bäumen lauerten. Die zittrige Stimme und der Blick seines Vaters machten ihm mehr Angst als alles andere.
„Wir werden glücklich sein, mein Junge. Alle. Gemei nsam. Für immer“, sagte der Vater ganz ruhig, nahm das Gesicht seines Sohnes sanft in beide Hände und küsste seine Stirn.
Das Kind wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Er wollte jetzt nur noch nach Hause. Sein Blick glich
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