Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
brachte allen Kaffee aus dem Frischen Seehecht . Ein alter Mann, Olivers neuer Nachbar, sah stets neugierig von seinem Garten aus zu und meinte freundlich, wenn sie etwas benötigten, sollten sie es ihn wissen lassen. Er selbst könne ihnen leider nicht mehr zur Hand gehen, sonst würden seine schwieligen Finger aufplatzen wie zu heiß gekochte Würstchen. Und seine Bandscheiben würden vermutlich bis nach Innsbruck rüber fliegen, sollte er auf die hirnrissige Idee kommen, sich bücken zu wollen. Oliver musste darüber so lachen, dass ihm das Bier, das er sich in einer Arbeitspause gönnte, aus der Nase floss. Er mochte den alten Mann. Er mochte ihn wirklich.
Anfang Juli war es dann so weit. Nach dreimonatiger, harter und intensiver Arbeit war das Haus beinahe nicht mehr wiederzuerkennen.
Es erstrahlte in der Sommersonne in einem leuchtenden Weiß, und die einst modrigen Holzpaneele waren durch neue ersetzt worden. Der schulterhohe Gartenzaun trug das gleiche Weiß. Davor stand ein weißer, typisch amerikanischer Briefkasten mit der geschwungenen schwarzen Aufschrift: Ritter. Oliver und Melanie waren sich einig, dass nur dieser Briefkasten dazu passen würde.
Den alten Kastanienbaum hatten sie stehen lassen, da Melanie meinte, dieser Baum habe einen gewissen Charme. Oliver dachte nur, dass selbst Eichhörnchen dieses knorrige Ungetüm mieden.
Der Rasen im Vorgarten war auf den Millimeter genau perfekt geschnitten und vom Tor bis hin zu den Treppen führte ein kleiner Steinweg. Die Veranda war mit schönstem Ahornholz verlegt worden und die Eingangstür ähnelte der Farbe einer Rotbuche.
Die kleine Eingangshalle erinnerte beinahe an eine Lobby. Zur linken Hand befand sich das Wohnzimmer. Es war der größte Raum im Haus. Eine Tür führte auf die Te rrasse zum Hintergarten. Ein alter Kamin befand sich darin, der von zwei steinernen Löwen geziert wurde. Beim Anblick des Kamins spürte Oliver romantische Gefühle in sich hochsteigen. Er zog Melanie an sich und flüsterte ihr ins Ohr, dass er sich schon auf den Winter freue. Nur mit einer Decke eingehüllt und sich liebend vor dem prasselnden Feuer. Sofern Kevin tief in seinem Bettchen im oberen Stockwerk schlummerte.
Gegenüber dem Wohnzimmer lag die Küche mit Blick auf die Straße. Küche und Esszimmer waren in einem, g esäumt mit riesigen Panoramafenstern. Von hier aus führte eine Tür hinaus auf die Terrasse. Von der kleinen Halle kam man über eine robuste Holztreppe, deren Geländer weiß und mit eingeschnitzten Rosen verziert war, in den ersten Stock.
Ein halbrundes Glasfenster gewährte einen zauberha ften Blick auf den Garten. Schöne, blühende Obstbäume streckten ihre Ästen gen Himmel. Ein weißer Pavillon stand inmitten des Gartens, auf dessen Säulen sich wilde englische Rosen emporrankten. Ein Baum stach unter all den anderen hervor. Es war ein Kirschbaum in voller Pracht und bot saftige rote Früchte an, die ein süßes Aroma versprachen.
Im oberen Stockwerk befanden sich das Schlafzimmer und das von Kevin am Ende des Flures.
Dazwischen lagen ein Badezimmer mit Eckbadewanne und ein extra Raum für die Toilette.
Als Oliver durch das renovierte Haus marschierte, b ekam er eine Gänsehaut. Es kam ihm wie ein Märchen vor, das wahr geworden war. Nie mehr nach Wien in die alte Zweizimmerwohnung. Keine Nachbarn mehr, die sich ständig stritten. Keine stickige Luft von den Abgasen der Schnellstraße vor der Tür.
Das war das wahre Leben. Eine schöne, saubere Klei nstadt, wo man einander kannte und sich bei fröhlichen Stadtfesten miteinander amüsierte. Einen alten, freundlichen Nachbarn zu der einen Seite und ein älteres, ruhiges Ehepaar, das ohnehin so gut wie nie in der Stadt war – sie lebten hauptsächlich in Wien – auf der anderen.
Der perfekte Ort für ein perfektes glückliches Leben.
Die mühevollen Arbeiten waren fast geschafft und die letzten Möbelstücke warteten darauf, ihren Platz im Haus einzunehmen. Die Sonne brannte auf Olivers Haut, sodass er dachte, jeden Moment würden sich Blasen darauf bilden. Schweißperlen rannen über seine Stirn in die Augen. Er blinzelte; die Flüssigkeit brannte.
Es war der heißeste Tag in diesem Sommer. Der Tag, an dem die Ritters ein neues Leben begannen.
Ein Kastenwagen mit der Aufschrift Erich Tanner stand in der Auffahrt. Er war noch halb voll. Das komplette Wohnzimmer befand sich noch darin. Darunter der alte massive Eichenschrank, den Melanie so liebte. Dieses Ungetüm würde ihm
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