Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Er hatte seine Gründe dafür.
Kellermann stieg aus dem Wagen. Er blieb einen M oment vor dem weißen Haus stehen. Es war wirklich schön, unbestreitbar. Aber sein Unbehagen konnte die frische weiße Farbe nicht übertünchen.
Er betrachtete die unnatürlich rot gefärbte Sonne, die nun tief am Horizont hing.
Es war Ewigkeiten her, seit er das letzte Mal diese blutige Färbung gesehen hatte. Kellermann glaubte an Omen. Weiße Hengste, schwarze Hunde und schwarze Lämmer, die den Tod bedeuten, Min Min Lichter, die hierzulande aber nicht vorkommen, oder eben blutige Sonnen.
Auf dem Briefkasten stand in gut lesbaren Buchstaben Ritter . Mit seinem Zeigefinger wischte Kellermann einen Fleck auf dem Stahlblech weg.
Nochmals sah sich der Polizist um. Keine weißen Hengste, keine schwarzen Hunde. Er atmete tief durch und betrat das Grundstück der Ritters. Der Duft von englischen Rosen strömte in seine Nase, als er die Veranda hinaufstieg.
Kellermann wollte gerade an der Tür klopfen, als sie sich öffnete. Als hätte man seinen Besuch erwartet.
Ein Mann stand im Türrahmen und starrte ihn an. Gastfreundlichkeit gehörte wohl nicht zu den Eigenschaften dieses Mannes. Denn es kam kein Wort über seine Lippen. Er stierte Kellermann nur durchdringend an.
Er hatte gehört, dass ein Lehrer zusammen mit seiner Familie in das Gardener-Haus gezogen war. Das musste er dann wohl sein. Seine Frau hatte er erst neulich kennen gelernt. Ein heißer Feger. Der Kleine war niedlich. Jetzt war er gespannt auf den Mann.
„Sind Sie Herr Ritter?“
„Ja“, kam die Antwort kurz und knapp.
„Mein Name ist Kellermann. Ich bin der hiesige Polizeibeamte. Wie geht es Ihnen?“
„Gut und Ihnen?“, antwortete Oliver. Er gab sich Mühe, unbefangen zu klingen, doch was er zustande brachte, war eher misstrauisch.
Als ob er etwas zu verbergen hat, fand Kellermann. Ihm fiel auf, dass Ritter den Blick nur schwer konstant halten konnte. Mal schweifte er hierhin, dann dorthin. So als sehe er überall interessante Dinge, die es zu begutachten lohnte, man sich aber nicht entscheiden konnte, welches man zuerst in Augenschein nehmen sollte. Die Pupillen waren geweitet. Ob er auf Drogen war? Schon möglich. Oder er hat nur einen schlechten Tag. Vielleicht übermüdet.
Kellermann entschloss, sich kein überstürztes Urteil zu bilden.
„Gut, Herr Ritter. Es ist mir unangenehm, dass wir uns so kennen lernen müssen, aber ich muss Sie etwas fragen.“
„Na dann mal raus damit.“ Ritter verzog die Mundwi nkel. Sollte wohl ein Lächeln darstellen.
„Ein Junge behauptet, Sie hätten heute Morgen sein Fahrrad demoliert.“
„Ich soll was gemacht haben?“ Ungläubiges Erstaunen.
„Ja, der Zeitungsjunge. Kennen Sie ihn?“
Ritter grübelte offensichtlich.
„Ja. Ja, der Zeitungsjunge. Ich kenne den Bengel.“
Kellermann lächelte.
Bengel, besser konnte man Ronny Lassnig gar nicht beschreiben.
„Gut, Sie kennen ihn also. Und, ist an der Geschichte was dran?“
„Ich bitte Sie. Warum sollte ich das Fahrrad des Ze itungsjungen auseinandernehmen? Ich bin Lehrer und liebe Kinder. Außerdem will ich doch nicht gleich nach so kurzer Zeit als Zugereister in der Stadt auffallen. Schon gar nicht auf diese Weise. Und vor allem, wie soll ich dann pünktlich meine Morgenzeitung erhalten wenn der Junge keinen fahrbaren Untersatz mehr hat?“
Das leuchtete Kellermann natürlich ein. Warum auch sollte der Mann ein Fahrrad kaputtschlagen?
„Wissen Sie, warum er dann so etwas behauptet?“
„Hm“, wieder überlegte Oliver, „ja doch. Vielleicht ist er sauer auf mich, weil ich ihm gesagt habe, er solle etwas besser aufpassen, wo er die Zeitung hinwirft. Sie landet täglich im Rasensprenger.“ Er zuckte die Achseln. „Tja, ich nehme es dem Jungen nicht übel. Wir wissen doch wie Kinder sind. Besonders Fremden gegenüber.“
„Dann ist ja alles klar, Herr Ritter. Der Junge ist kein Unbekannter für mich. Schwierige Familienverhältnisse. Sie verstehen.“
„Armer Junge. Vielleicht kann ich ihn ja in der Schule unterstützen.“
„Viel Spaß. Das ist eine Lebensaufgabe“, lachte Ke llermann. Für ihn war die Sache sonnenklar. Genau wie er es vermutet hatte. Die Lassnigs wollten zu schnellem Geld kommen. Wem sollte man eher glauben? Einem Jungen, dessen Vater im Knast saß, dessen Mutter Alkoholikerin war, und der selbst, wenn er nicht noch zu jung wäre, schon der Zellengenosse seines alten Herrn wäre; oder einem Lehrer, der Frau und Kind
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