Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
auf seinen Bauch.
Mikey trug einen roten Schlafanzug, wie jedes Mal wenn er hier war. Aber irgendwie war das für Kevin sehr einleuchtend. Mikey kam immer nur nachts, da trägt man eben nichts anderes.
Das Gesicht war nie gut zu sehen, es sah aus als würde man es durch eine fettverschmierte Brille betrachten. Aber dass es blass war konnte Kevin erkennen. Anfangs hatte das Kevin verwirrt, doch mittlerweile nahm er diese Merkwü rdigkeit als gegeben hin und dachte nicht weiter darüber nach.
Genauso schnell wie Mikey aufgetaucht war, ve rschwand er auch wieder. Die eine Sekunde stand er in voller Größe vor Kevin, die andere hatte er sich in Luft aufgelöst. Als wäre er niemals hier gewesen. Nicht mehr als eine verblasste Erinnerung.
Kevin hörte Schritte am Flur. Sie vermischten sich mit dem Geräusch des in die Wanne fließenden Wassers.
Wahrscheinlich wollte seine Mutter noch etwas aus dem Schlafzimmer holen bevor sie in die Wanne stieg.
Kevin widmete sich wieder dem Sandmännchenbuch.
„Psst, he Kumpel”, flüsterte eine Stimme. Kevin wan dte seinen Kopf in die Richtung der Stimme. Sein Vater steckte den Kopf zur Tür herein. Er sah aus wie ein begossener Pudel, wie er selbst sagen würde. Die Haare waren klitschnass und klebten an seiner Stirn. Wasser perlte sein Kinn hinab.
Beinahe hätte er seinen eigenen Vater nicht wiedere rkannt. Er sah dünn aus, die Augen lagen tief in ihren Höhlen.
Er war ja schließlich auch krank, hatte Mama ihm e rklärt.
„Was ist, Kumpel, gehst du mit zum Angeln?“
„Jetzt?“ Kevin war überrascht. Nachts angeln gehen, noch dazu bei dem Wetter.
„Ich hab doch schon den Pyjama an“, sagte er und zupfte daran, nur für den Fall, dass sein Vater es nicht b emerkt haben sollte.
„Dann ziehst du dir halt was Ordentliches an.“
Einmal hatte Kevin ein Wiesel gesehen. Dessen Kopf zuckte genauso hin und her wie der seines Vaters in diesem Augenblick. Ständig blickte er nervös um sich.
„Aber es regnet und donnert doch. Was, wenn mich der Blitz trifft?“
„Quatsch, das wird er nicht. Los, hüpf in deine Sachen. Wir bringen Mami einen ganz großen Fisch zur Überraschung. Bei dieser Tageszeit und bei dem Wetter trau ich mich wetten, dass wir ungefähr so einen großen Fisch fangen.“ Oliver breitete die Arme aus, so weit er nur konnte, um Kevin klar zu machen wie groß die Fische in dem See bei dem Wetter waren.
Ein ungläubiges Boah kam Kevin über seine Lippen.
„Also, was hältst du von der Idee?“
Kevin nickte.
„Dann müssen wir zum See gehen“, sagte Oliver düster. „Und dann kommt alles in Ordnung.“
Das wäre schön, dachte Kevin. Natürlich hatte er die Streitereien seiner Eltern mitbekommen und sie hatten ihm Angst gemacht. Er kannte zwar die Bedeutung des Wortes Scheidung nicht, aber selbst sein kindlicher Verstand registrierte die Spannung, die zwischen seinen Eltern in der Luft hing. Daran war nur die Krankheit seines Papas Schuld. Vielleicht wäre nach diesem kleinen Fischerabenteuer sein Vater wieder gesund. Den Versuch war es wert.
In Sekundenschnelle war Kevin angezogen.
„Aber du musst ganz leise sein, wir wollen doch Mami nicht die Überraschung verderben, richtig?“
Kevin nickte. Wie Indianer schlichen sie sich am Bad ezimmer vorbei.
Das Wasser hörte auf aus dem Hahn zu rinnen.
Oliver öffnete die Terrassentür. Der Lärm des Donners und des strömenden Regens war ohrenbetäubend.
Kevin hatte seine kleine gelbe Regenjacke übergezogen. Und natürlich seine Gummistiefel. Bei jedem Blitz und jedem Donner zuckte er zusammen. Das Unwetter in der Sicherheit seines Zimmers zu erleben war etwas ganz anderes als hier im Freien den Elementen schutzlos ausgeliefert zu sein. Er zögerte weiter zu gehen.
Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet. Dem A nschein nach, wollte er sie auch nie wieder schließen.
„Was ist denn?“ Oliver war sichtlich genervt, dass sein Sohn sich nicht sputete.
„Ich hab Angst, Papa.“
Oliver setzte sein freundlichstes Lächeln auf und kniete sich zu seinem Sohn.
„Das brauchst du nicht. Papa ist doch hier.“ Oliver grinste seinen Sohn breit an. „Der große Fisch ist nur heute im See. Die Angeln sind bereits unten am Ufer. Ich wollte dich überraschen. Und jetzt willst du nicht?“ Olivers Stimme hatte einen traurigen, enttäuschten, für Erwachsene erkennbar falschen Unterton.
Kevin sah beschämt zu Boden. Nichts lag ihm ferner, als seinen Papa oder seine Mama traurig zu machen oder
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