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Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)

Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)

Titel: Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Semesch , Christoph Wittmann
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Sam für ausgemachten Schwachsinn. Die einzige Kreatur auf Jaspers Hof war Bullet. Der war nicht umsonst an eine schwere Kette gebunden. Er stürzte sich auf alles, das die verstaubte Farm zu betreten wagte, Tiere und Menschen. Das war ihm einerlei. Vielleicht lauerte er darauf wieder einmal frisches, blutiges Fleisch zwischen die Reißzähne zu bekommen.
    Wer immer auch dieses Gerücht in die Welt gesetzt hatte, Jasper Sampson musste davon wissen - vielleicht hatte er ja selbst dafür gesorgt, da er somit die Kinder todsicher von seiner Farm fernhielt. Mit Erfolg, denn keiner von ihnen hat sich je weiter als fünfzig Meter an die alte Farm gewagt. Niemals (ausgenommen natürlich der fremde Junge).
    Wenn der Alte in der Nähe war, dann wurde es spürbar kalt. Auch wenn Begegnungen mit ihm Seltenheitswert besaßen, traf man ihn doch ab und an in der Stadt, wo er seine Lieferung zu Franks´s brachte. Oder nach Frischfleisch (kleine Kinder!) für Bullet suchte.
    Selbst an heißen Sommertagen ließ seine Aura einen frösteln. Und wenn der Kerl einen ansah, war es, als blicke man in die Augen eines Toten, eines Teufels. Sie waren einfach leer. Der graue Schleier über seinem linken Auge und der tiefen Narbe - hier war die Stelle frei von weißen, kratzigen Stoppeln - die sich wie ein Canyon an der linken Backe und unter dem Auge über das Gesicht zog - taten ihr Übriges, um seine furchterregende Erscheinung noch zu unterstreichen.
    Laut den Erwachsenen stammten das blinde Auge und die Narbe von einem Schrapnell aus dem zweiten Weltkrieg. Wahrscheinlich stimmte das auch, aber unter den Freunden währten diese Verletzungen von anderer Herkunft. Vielleicht hatten Bullet und Sampson sich gegenseitig fressen wollen, hatte Joshua gemeint, als sie einmal gemeinsam um ein Lagerfeuer saßen und Marshmallows rösteten. Möglich wäre es, pflichtete Isaac ihm bei. Denn auch der Köter hatte eine tiefe Furche auf der Schnauze, die ohne weiters von einem Kampf zwischen den beiden herrühren konnte.
    Die Freunde zuckten damals zusammen, schrien in panischer Angst und sprangen ins Wasser, als hinter ihnen am Waldrand ein Zweig knackte. Natürlich war es nichts gewesen. Nur die Phantasie war mit den Kindern durchgegangen.
    Und die Eltern wussten von der Angst ihrer Kinder vor Jasper Sampson. Und sie nutzten es aus. Sollte Sam nicht sofort mit dem Unfug aufhören, würde Jasper Sampson mit Bullet kommen und ihn holen, hatten sie ihm oft gedroht, wenn er wieder mal zu unartig war. Und die Angst, die er damals verspürt hatte, blieb ihm erhalten.
    Auch jetzt riskierte Sam einen Blick zur Farm. Alles was er erkennen konnte, waren kleine weiße Punkte, zweifellos Hühner, ansonsten aber nichts Ungewöhnliches. Ein winziges Licht, wahrscheinlich von einer Petroleumlampe, baumelte im Hintergarten, da wo Bullet lag.
    Sam fragte sich, ob sie den alten Farmer schon befragt hatten, was die Sache mit Luke Smitsky anging. Aber natürlich hatte Sheriff Callahan das getan. Sampson hatte er sich gleich als erstes vorgenommen und laut Terry Higgins, dem angrenzenden Farmer, war der Sheriff stundenlang bei ihm gewesen. Er hatte auch jeden Quadratzentimeter von Sampsons Grundstück abgesucht. Nicht mal bei Higgins Farm hatte Callahan so lange gebraucht, und die war gut und gerne um das Dreifache größer als die vom alten Sampson. Die Gerüchteküche hatte ihre Wirkung nicht verfehlt.
    Joshua war der Einzige unter den Freunden, der seinen Verdacht laut aussprach. Entweder steckte Jasper Sampson hinter dem Verschwinden des Smitsky-Jungen, oder irgendein Fremder hatte ihn sich geschnappt. Ein Landstreicher möglicherweise.
    Unter vorgehaltener Hand tuschelten die Einwohner Flagstaffs, und sie waren derselben Meinung. Sam fragte sich, warum.
    »Alles klar, Sammy?«
    Vergiss Jasper Sampson, dachte er. Hast wohl schon vergessen, warum und vor allem mit wem du hier bist.
    Der Regen war nun vollends abgeklungen, die Wolken am Horizont nur noch Schatten ihrer selbst.
    Sam und Madison setzten sich zum Eingang, ließen die Füße hinunterbaumeln und beobachteten den Himmel. Die Sonne zeigte sich an diesem Abend ein letztes Mal in ihrer vollen Pracht, verscheuchte die letzten Wolkenfetzen und tränkte die Felder in einen blutroten Ozean.
    Die Stimmung hätte nicht romantischer sein können. Doch Sam brachte nicht ein einziges Wort über die Lippen.
    »Sam?«
    »Ja?«
    Sam sah zu Madison hinüber. Sie hatte ihr langes, dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden.

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