DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
bekommt. Demoiselle Charlotte hat ebenfalls versprochen, sich um sie zu kümmern.«
Und das wird sie tun, daran habe ich keinen Zweifel, aber sie ist erst zehn Jahre alt und selbst noch ein Kind.
Nachdem ich gebadet und mich angekleidet habe, schicke ich die Dienerinnen aus dem Raum und behaupte, Ruhe zu benötigen. Doch statt mich auszuruhen, beginne ich vor dem Feuer auf und ab zu gehen und zu überlegen, welches die beste Art ist, meine Schwestern zu befreien. Werden wir irgendwelche Verbündeten im Landesinneren haben? Wenn Julian nur die Wünsche meines Vaters ausführt, könnte ich ihm höchstwahrscheinlich abschmeicheln, mir zu helfen, aber ich befürchte, dass er durchaus aus eigenem Antrieb gehandelt haben könnte, denn wie sonst ließen sich die Haarlocken erklären?
Und selbst nachdem ich sie befreit habe – vorausgesetzt, ich bringe uns dabei nicht alle um –, wohin kann ich sie bringen? Wo werden sie sicher sein?
Das Kloster. Die Antwort kommt mir wie das Wispern einer Brise.
Aber werden sie dort wirklich sicher sein? Was ist mit der Äbtissin? Ich denke an Charlotte und Louise, die so anders sind als ich, und dann denke ich an all die jüngeren Mädchen im Kloster und weiß, dass sie sicher genug sein werden. Selbst ich war für einige kurze Jahre dort sicher.
Es ist nur ein erster Ansatz eines Planes, aber es ist immerhin etwas.
Ich schaue aus dem Fenster, froh zu sehen, dass die Sonne tief herabgesunken ist. Je eher die Nacht kommt, umso eher kann ich aufbrechen. Trotzdem, während die Schatten in meinem Zimmer länger werden, erwachen alte Erinnerungen. Dunkle Erinnerungen. Da ich nicht den Wunsch habe, mit ihnen allein zu sein, beschließe ich, mich auf die Suche nach der Bestie zu machen. Es ist Zeit, dass er das letzte der Geheimnisse zwischen uns erfährt. Vielleicht wird er dann ebenso erpicht darauf sein wie ich, die Reise anzutreten.
Ich klopfe an seine Tür, dann trete ich ein. Die Bestie zieht gerade ein sauberes Wams über den Kopf und ist entrüstet. »Sybella! Ihr könnt nicht hier hereinkommen. Eure Dienerinnen …«
»Pssst«, unterbreche ich ihn. »Ihr vergesst, dass es d’Albrets Diener sind, die an alle möglichen Indiskretionen und Verderbtheiten gewöhnt sind. Sie würden überraschter sein, wenn ich Euch nicht in Eurem Zimmer besuchte.«
Er blinzelt, nicht sicher, was er darauf erwidern soll, und ich sehe Wassertropfen, die noch immer an seinen Wimpern haften. Er schweigt für einen Moment, dann fragt er: »Wollt Ihr mir jetzt, da uns niemand sonst hören kann, von der Bedeutung der Locken erzählen?«
Allein der Gedanke an diese Haarlocken ist wie ein Fausthieb in meinen Bauch. »Es ist eine Botschaft. Von meinem Bruder Julian.« Ein Kloß in meiner Kehle verhindert, dass ich ihm das erzähle, was ich ihm eigentlich mitteilen will. Stattdessen sage ich: »Er trägt eine Locke von meinem Haar mit einer Locke von seinem eigenen verschlungen in dem Griff seines Schwertes. Es ist eine Botschaft …« Und hier gerate ich ins Stocken, denn ich kann mich nicht überwinden, laut auszusprechen, was es, wie ich befürchte, bedeutet.
Aber die Bestie ist kein Narr, und als der Ritter seine großen Hände zu Fäusten ballt, weiß ich, dass er die Bedeutung enträtselt hat. Jetzt. Ich muss es ihm jetzt sagen, bevor mich der Mut abermals verlässt.
»Es gibt da etwas, was Ihr wissen müsst. Meine Schwester Louise – sie ist Alyses Tochter.«
Vierundvierzig
D E W AROCH STARRT MICH stumm an, als hätte er kein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe. Röte steigt ihm ins Gesicht. »Was habt Ihr gesagt?«, flüstert er und schaut mich dabei an wie ein Verhungernder einen Knochen.
»Louise ist das Kind Eurer Schwester.«
Er starrt mich noch einen Moment länger an und seine Gedanken huschen wie Sturmwolken über sein Gesicht. Hoffnung, als er begreift, dass ein kleiner Teil von Alyse immer noch existiert, Entsetzen – nein, Qual –, als ihm klar wird, dass auch sie ihm genommen wurde. Von einem weiteren vom Teufel gezeugten d’Albret. »Warum habt Ihr es mir nicht früher erzählt?«
»Ich musste sicher sein, dass Ihr akzeptieren konntet, dass ein Teil von ihr d’Albret entstammt. Sobald klar war, dass Ihr mir meine Herkunft nicht verübelt, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es sicher war, es Euch zu erzählen. Und der Gedanke keimte in mir auf, die beiden in Sicherheit zu bringen. Oder zumindest Louise. Auf Euren eigenen Besitz vielleicht? Aber wieder einmal komme
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