DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
flatternden Geister, die näher gekommen sind, während ich geredet habe. Dort ist Alyse, die mir Louise und deren fröhliches Lachen geschenkt hat. Und Françoise, die mir Julian geschenkt hat, meinen ersten Freund und einen wahren Bruder, bevor er zu meinem Feind wurde. Meine eigene Mutter, die mir das Leben geschenkt hat, und Jeanne, deren Geschichte, wie ich jetzt begreife, keine Warnung ist, sondern von Mut zeugt – von ihrem Mut, sich lieber dem Tod zu stellen als den Gräueln, die das Leben für sie bereithielt.
Unter all den Grausamkeiten, die d’Albret begangen hat – und davon gab es viele –, ist der Verrat an diesen Unschuldigen, die er zu lieben und zu beschützen geschworen hat, am schlimmsten. Dies sind die Menschen, die es verdienen, gerächt zu werden.
Alle Zweifel, die ich hatte, dass die Bestie stark genug ist, um all die Gräuel meiner Vergangenheit zu ertragen, haben sich aufgelöst. Das letzte meiner Geheimnisse ist offenbar geworden, und noch immer hält er mich in den Armen, als wolle er mich nie mehr loslassen.
Irgendetwas weckt mich. Zuerst denke ich, es sei das silbrige Mondlicht, das durchs Fenster strömt und übers Bett fällt. Und dann höre ich ein schwaches Rascheln, wie von kahlen Zweigen im Wind. Obwohl ich meinen Namen nicht direkt hören kann, weiß ich, dass das Rascheln nach mir ruft, dass es mich näher heranlockt, und ich habe Angst. Angst, dass es die Geister von d’Albrets toten Ehefrauen sind, die mich zur Rechenschaft ziehen wollen.
Doch das Rascheln erklingt abermals, und ich weiß, ich muss gehen. Leise hebe ich die Decken an, schwinge die Füße auf den Boden und stehe aus dem Bett auf.
Das Rascheln ist ein drittes Mal zu hören, und es ist, als sei ein Faden an mein Herz gebunden, der mich darauf zuzieht. Ich trete in meine Schuhe, werfe mir meinen Umhang um die Schultern und schlüpfe aus dem Raum.
Es ist mitten in der Nacht und alles ist still. Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern kann, habe ich im Haus meines Vaters keine Angst. Ob es an der Bestie liegt, die in der Nähe schläft, oder an der anderweltlichen Stimme, die mich lockt, weiß ich nicht. Vielleicht habe ich einfach nichts mehr zu verlieren.
Die Flure des Hauses sind verlassen, ebenso die große Halle. An der Tür sind einige Wachen postiert, aber da ich aus Dunkelheit geboren bin, ist der Schatten mein Freund, und ich benutze ihn, um mich zu verstecken.
Draußen ist die Nacht bitterkalt geworden. Mortains Frost, so nennen es die Bauern, ein unerwarteter Kälteeinbruch, der die aufkeimende Frühsaat bedroht.
Und in dem Moment weiß ich plötzlich, wer nach mir ruft. Ich ziehe meinen Umhang enger um mich, beschleunige meine Schritte und bin nicht erstaunt, als das Rascheln mich zum Friedhof führt.
Der abnehmende Mond taucht den Friedhof in bleiches, silbernes Licht, aber ich fühle mich zu der dunkelsten Ecke hingezogen. Als ich näher komme, taucht eine hochgewachsene dunkle Gestalt auf. Der Mann ist ganz in Schwarz gekleidet und riecht nach der Erde zu Beginn des Frühjahrs, wenn die Felder frisch bestellt sind. Mit einem Ruck wie einem Stich ins Herz erkenne ich meinen wahren Vater. Jeder Zweifel, den ich hatte, dass Er existiert, jede Angst, die in mir war, dass ich besudelt bin von d’Albrets dunklem Blut, fällt in diesem Moment von mir ab. Wie ein Lamm auf dem Fels, das ohne Fehl zu seiner Mutter läuft, weiß ich, dass ich Sein bin. Zuerst weckt die Welle der Dankbarkeit und Demut, die mir dies beschert, in mir den Wunsch, vor Ihm auf die Knie zu fallen und das Haupt zu beugen. Aber während ich Ihn anschaue, entfalten sich die Jahre der Qual und des Entsetzens in mir, und Zorn entlädt sich. »Jetzt? Ihr kommt jetzt zu mir? Wo wart Ihr all die Male, als ich klein und verängstigt war und Euch wahrhaft gebraucht hätte? Wo wart Ihr, als d’Albret wieder und wieder Unschuldige niedermetzelte?«
Dann, so plötzlich, wie er gekommen ist, ist der Zorn erloschen. »Und warum habt Ihr mich verlassen? Als Ihr meine Mutter geholt habt, warum habt Ihr mich nicht mitgenommen?« Die letzte Frage kann ich nur noch flüstern.
»Es war der Wunsch deiner Mutter, dass du leben solltest.« Als Er spricht, ist Seine Stimme wie ein kalter Nordwind, der Schnee und Frost mit sich bringt. »Sie hat nicht nur darum gebetet, von ihrem Ehemann erlöst zu werden, sondern dass anderen Frauen ihr Schicksal erspart bleiben möge. Dieses Gebet brachte mich zu ihr, sodass ich da war, als du geboren wurdest,
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