Darkover 01 - Landung auf Darkover
viele Todesfälle gegeben. Aber er wußte, daß dies nichts ändern würde. Auf der Erde starb man höchstens an Altersschwäche. Hier - nun, hier war das anders. Verdammt anders.
»Verschwende deinen Atem nicht mit Reden. Spar dir deine Kraft, und wir werden dir alles erzählen«, sagte er.
Die Nacht brach an, noch immer wundervoll klar und frei von Nebel oder Regen. Nicht einmal auf den Höhen zog Nebel auf, und Rafe, der Camillas Teleskop und die anderen Instrumente auf dem ebenen Lagerplatz aufstellte, sah zum erstenmal die Sterne über den Gletschern leuchten - klar und hell, jedoch sehr weit entfernt. Er konnte eine Cepheiden-Variable nicht von einer Konstellation unterscheiden, und auch so vieles andere von dem, was sie tat, war für ihn völlig unverständlich, dennoch war er ihr behilflich, so gut es ging, und schrieb - um die Anpassung ihrer Augen an die Dunkelheit nicht zu beeinträchtigen - im sorgfältig abgeschirmten Lichtkegel einer der Handlampen konzentriert Reihe um Reihe von Koordinaten und Ziffern nieder, die sie ihm nannte. Nach einer kleinen Ewigkeit seufzte sie und dehnte ihre verkrampften Muskeln.
»Das ist vorläufig alles, was ich tun kann. Weitere Messungen kann ich unmittelbar vor Tagesanbruch vornehmen. Noch immer keine Anzeichen von Regen?«
»Nein, Gott sei Dank.«
Um sie her war der Duft von Blumen von den unteren Hängen süß und betäubend, und in weitem Umkreis blühten nun auch schnelltreibende Sträucher, von zwei Tagen der Wärme und Trockenheit belebt. Die unbekannten Düfte machten sie ein wenig benommen. Über dem Berg schwebte ein großer glänzender Mond - in eine fahle, schillernde Aura gehüllt. Dann, nur ein paar Augenblicke später, war ein zweiter zu sehen, der einen hellvioletten Glanz verströmte.
»Sieh dir den Mond an«, flüsterte sie.
»Welchen von den beiden?« Rafe lächelte in der Dunkelheit. »Die Erdenmenschen haben sich daran gewöhnt, der Mond zu sagen; ich nehme an, irgendwann wird ihnen irgend jemand Namen geben… «
Sie saßen auf dem weichen, trockenen Gras und beobachteten, wie die Monde höherschwebten, sich über die Berge erhoben. Rafe zitierte leise: »Würden die Sterne in tausend Jahren nur in einer Nacht scheinen, wie würden die Menschen schauen und sie bewundern und anbeten.«
Sie nickte. »Ich merke schon nach zehn Tagen, wie sehr ich sie vermisse.«
Rein verstandesmäßig wußte Rafe natürlich, daß es Wahnsinn war, hier im Dunkeln zu sitzen. Wenn schon nichts anderes, so konnten Vögel oder Raubtiere - möglicherweise der Banshee-Schreier von den Höhen, den sie in der letzten Nacht gehört hatten - in der Finsternis umherstreifen. Das gab er schließlich zu bedenken, und Camilla schreckte hoch, als sei ein Zauberbann gebrochen. »Du hast recht«, stimmte sie zu. »Und ich muß lange vor dem Morgengrauen aufstehen.«
Rafe zögerte kaum merklich, sich der stickigen Dunkelheit des Schutzzeltes anzuvertrauen. Er sagte: »In den alten Zeiten pflegte man zu glauben, es sei gefährlich, im Mondenschein zu schlafen - daher das englische Wort ›lunatic‹… wahnsinnig. Ich frage mich, ob es viermal so gefährlich ist, unter vier Monden zu schlafen.«
»Nein, aber es wäre - Wahnsinn«, erwiderte Camilla mit einem kaum hörbaren Lachen. Er blieb stehen, nahm ihre Schultern in einen sanften Griff, und für einen Sekundenbruchteil glaubte das Mädchen in einer seltsamen Mischung aus Furcht und Vorfreude, er werde sich zu ihr herunterbeugen und sie küssen, aber dann wandte er sich ab und sagte: »Wer will schon immer bei Verstand sein? Gute Nacht, Camilla. Bis morgen, eine Stunde vor Sonnenaufgang.« Und er schritt davon, damit sie vor ihm in den Unterstand treten konnte.
Eine sternenklare Nacht über dem Planeten der vier Monde. Banshees streiften auf den Höhen umher, und ihre grauenvollen Schreie ließen die warmblütigen Opfer erstarren, und dann tappten sie auf sie zu, angezogen von der Hitze ihres Blutes… Doch sie kamen nicht über die Schneegrenze herunter; in einer schneefreien Nacht war alles, was sich auf Gestein oder Gras befand, sicher. Über den Tälern kreisten gewaltige Raubvögel; den Erdenmenschen noch unbekannte Tiere huschten durch die Tiefen des dunklen Waldes, lebten und starben, und Bäume krachten ungehört zu Boden. Unter dem Mondlicht, in der gewohnten Hitze und Trockenheit eines warmen Windes, der von den Gletschergraten herunterwehte, erblühten zahllose Blumen und öffneten ihre Blütenkelche und
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