Darkover 01 - Landung auf Darkover
daß ich mir die Gesellschaft eines Mitmenschen viel mehr ersehne, als ich je geglaubt hätte.«
Damit war für ihn das Thema Religion offenbar beendet, doch Judy konnte es in ihrem inneren Aufruhr nicht so leicht beiseite schieben. »Dann lassen Sie uns einfach ohne jeden geistlichen Beistand, Pater?«
»Ich glaube nicht, daß ich in dieser Hinsicht jemals viel geleistet habe«, sagte Pater Valentine. »Ich frage mich, ob das je ein Priester getan hat. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß ich alles, was ich für jemanden als Freund tun kann, tun werde - das ist das mindeste, was ich tun kann; und wenn ich mein Leben damit zubrächte, würde es doch nicht annähernd aufwiegen, was ich getan habe, doch es ist besser, als in Sack und Asche herumzusitzen und Bußgebete herunterzuleiern.«
Die Frau sagte: »Das kann ich verstehen, glaube ich. Aber meinen Sie wirklich, hier gäbe es keinen Platz für einen Glauben oder eine Religion, Pater?«
Er machte ein zurückweisende Geste. »Hören Sie auf, mich Pater zu nennen. Bruder, wenn Sie wollen. Auf dieser Welt müssen wir alle Brüder und Schwestern im Unglück sein. Und was Ihre Frage betrifft: Nein, ich habe nicht gesagt, es gäbe keinen Platz für einen Glauben oder eine Religion auf dieser Welt, Dr. Lovat - ich kenne nicht einmal Ihren Vornamen -, Judith? Das habe ich nicht gesagt, Judith. Ein jedes menschliche Wesen braucht den Glauben an die Güte einer Macht, die es geschaffen hat, ganz gleich, wie sie es nennt, und es braucht ein religiöses oder ethisches System. Allerdings glaube ich nicht, daß wir Sakramente und Priesterschaften von der Welt brauchen, die nur eine Erinnerung ist und für unsere Kinder und Kindeskinder nicht einmal mehr das sein wird. Ethik: ja. Kunst: ja. Musik, Fertigkeiten, Wissen, Menschlichkeit - ja. Aber keine Rituale, die rasch zu Aberglauben verkommen werden. Und bestimmt keinen sozialen Kodex oder eine Reihe rein willkürlicher Verhaltensmuster, die nichts zu tun haben mit der Gesellschaft, in der wir jetzt leben.«
»Aber in der Coronis-Kolonie hätten Sie… hättest du in der Kirchenorganisation gearbeitet?«
»Ich nehme es an. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht. Ich gehöre dem Orden von Sankt Christopher von Centaurus an, welcher gegründet wurde, um die Reformierte Katholische Kirche zu den Sternen zu tragen, und ich habe es einfach als eine Ehre angesehen. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht - kein ernsthaftes, hartes, tiefschürfendes Nachdenken. Aber hier, auf meinem Steinhaufen, da hatte ich eine Menge Zeit zum Nachdenken.« Er lächelte kaum merklich. »Kein Wunder, daß man zu Hause, auf der Erde, Verbrecher zum Steineklopfen verurteilt hat. Das hält die Hände beschäftigt und gibt einem alle Zeit der Welt zum Nachdenken.«
Judy sagte langsam: »Dann glaubst du also nicht, daß die Verhaltensethik etwas Absolutes ist? Es gibt - was uns betrifft - nichts eindeutig göttlich Verfügtes?«
»Wie könnte es das? Judith, du weißt, was ich getan habe. Wäre ich nicht mit der Vorstellung aufgezogen worden, bestimmte Dinge würden an sich und aus ihrer Natur heraus genügen, um mich geradewegs in die Hölle zu schicken, dann hätte ich, als ich nach der Zeit des Windes aufgewacht bin, damit leben können. Vielleicht wäre ich beschämt gewesen oder bestürzt, vielleicht hätte ich mich übergeben müssen, aber ich wäre nicht der Überzeugung gewesen, tief unten, in meinem Verstand, keiner von uns habe verdient, danach weiterleben zu dürfen. Im Seminar hat es keine Schattierungen von richtig oder falsch gegeben - nur Tugend und Sünde und dazwischen nichts. In meinem Wahnsinn haben mich die Morde nicht beunruhigt, weil mir im Seminar beigebracht worden war, Unzucht sei eine Todsünde, die mir die ewige Verdammnis bescheren werde… wie konnte also ein Mord schlimmer sein? Man kann nur einmal zur Hölle fahren, und ich war bereits verdammt. Eine vernunftgemäße Ethik hätte mir gesagt, daß das, was diese armen Burschen - Gott habe sie selig - und ich auch immer während jener Nacht des Wahnsinns getan haben, lediglich unsere Würde und unser Anstandsgefühl verletzt hatte, wenn überhaupt. Jedenfalls war das Meilen, Galaxien, von einem Mord entfernt.«
Judy sagte: »Ich bin keine Theologin, Pa… äh… Valentine, aber kann jemand im Zustand völliger geistiger Umnachtung überhaupt eine Todsünde begehen?«
»Glaube mir, das habe ich lange hinter mir. Es hilft nicht zu wissen, daß ich, wäre es mir
Weitere Kostenlose Bücher