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Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya

Titel: Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
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einem Gesicht zum anderen - Vater und Sohn, vereint in ihrer seligen Gewissheit - und dort in der Ecke, ein Schemen vor dem Licht, die reglose Gestalt in Grau. Sie konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen, doch mit ihrem rudimentären Laran spürte sie, wie er sie ernsthaft sondierte.
    Statt des eisigen Gefühls bei ihrem ersten Kontakt loderte nun Feuer hinter ihrer Stirn auf und raste durch ihren Schädel. Ihr verschwamm alles vor den Augen. Sein Geist warf sich auf ihren und suchte nach einer Möglichkeit, ihre Barrieren zu überwinden.
    Er darf nichts von meinem Sohn erfahren! Ich muss an etwas anderes denken - an irgendetwas anderes!
    Mit einer Miene, von der sie hoffte, dass sie wie Resignation wirkte, begann Taniquel zu essen. Sie nahm einen Mund voll nach dem anderen und versuchte sich nur auf den Geschmack der Speise zu konzentrieren. Das fiel ihr nicht schwer. Die Brotkruste zerbrach zwischen ihren Zähnen. Sie schmeckte das weiche, schaumige Innere. Köstlicher Fleischsaft lief über ihre Zunge. Sie zerkaute einen feinen Knorpel. Sie achtete auf jedes Gefühl, um so eine Mauer aus behaglicher Gefräßigkeit zu errichten. Langsam wich der dumpfe Druck und hinterließ starke Schmerzen in ihren Schläfen.
    »Was habe ich dir gesagt?«, wandte Damian sich an seinen Sohn. »Sie ist nicht nur schön, sondern auch vernünftig. Eine geeignete Braut, und eine, auf die du nicht erst warten musst, bis sie erwachsen geworden ist, bevor sie wirklich die deine wird.«
    Damian und sein Sohn lächelten und setzten ihr Gespräch fort, tauschten über Speise, Wein und Regen kleine Scherze aus, auch über eines ihrer Pferde. Taniquel murmelte nichts sagende Bemerkungen, wenn es anscheinend von ihr erwartet wurde. Als sie die beiden unter den Wimpern beobachtete, sah sie die Veränderung in ihren Mienen. Sie waren jetzt eindeutig der Meinung, dass sie sich ihrer Mitarbeit sicher sein konnten.
    Die Kopfschmerzen ließen ein wenig nach, als sie in ihre Gemächer zurückfloh, verschwanden aber nicht ganz. Sie schickte ihre Zofen weg, verriegelte die Tür hinter ihnen und ging zu der Truhe, in der ihre alte Kleidung für alle Tage lag. Ihre Hände zitterten, und ihr Magen rebellierte auf Grund der Anspannung und des Weins, aber sie konnte es sich nicht leisten auszuruhen. Noch nicht.
    Sie wusste nicht, in welchem Ausmaß sie den Laranzu zum Narren gehalten hatte. Aber sie wusste mit zermürbender Gewissheit, dass sie nicht mehr lange so weitermachen konnte. Ihr lief die Zeit davon. Um die unvermeidliche Suche hinauszuzögern, musste sie ihnen den Eindruck vermitteln, dass sie sich noch in der Burg befand. Das bedeutete, dass sie nichts mitnehmen durfte, dessen Fehlen auffallen konnte.
    Da! In eine Ecke geknüllt lag die bernsteinfarbene Wolljacke, die sie am Tag der Schlacht getragen hatte. Dunkle Flecken verliefen entlang des Saums. Das Kleidungsstück war großzügig geschnitten und hing locker an der Taille. Dazu gehörte ein Rock, der weit genug war, um leicht hineinsteigen zu können - weshalb sie ihn neulich auch getragen hatte. Sie zog das Ganze an und rollte die Tunika und ihr Unterkleid aus ungefärbter Chervine-Wolle auf, suchte sich noch weitere Unterbekleidung und dicke Socken heraus. Rasch trug sie alles zusammen, was noch fehlte, eine kleine Börse mit Silbermünzen vom letzten Jahrmarkt, zwei Teile Haarschmuck aus gebogenem Kupfer, den Mantel, den sie bei der Beerdigung getragen hatte. In die fleckige, zerknitterte Bernsteinwolle gehüllt, darüber ein gleichermaßen fleckiger Mantel, glich sie eher einer Dienstmagd in der abgelegten Kleidung ihrer Herrin als einer jungen Königin.
    Etwas fehlte noch. Sie schmunzelte, als sie das Kleid aus pfauenblauer Seide nahm und zwischen Blumenkasten und Balkonwand stopfte. Es regnete wieder, diesmal stärker, und verwandelte die Seide in ein dunkles, triefendes Knäuel. Betteny würde sein Fehlen sofort bemerken und daraus folgern, dass Taniquel es trug.
    Sie schlüpfte hinter das Kopfbrett des Himmelbetts und drückte gegen den Ziegel, der die schmale Tür entriegelte. Dahinter lag das Gewirr aus Gängen, in dem sie und Padrik Banditen und Spione gespielt, ein oder zwei Mal die Älteren belauscht und sich versteckt hatten, wenn Lehrer zu ihnen unterwegs gewesen waren. Sie wusste es nicht, aber vermutlich hatten schon seit jeher die Kinder der Königsfamilie diese Gänge benutzt. Nun würde sie nie mehr erfahren, was ihr Sohn dort anstellen würde.
    Der Gang war kühl und

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